November 2008


Ja, sie waren wieder da. Die Tür ist repariert. Zwar läuft sie weiter etwas schwer, aber die elektronische Sperre geht. Mit der richtigen Karte öffnet sich die Tür sogar. Und auch eine Leiter hatten sie dabei. Allerdings hat der Handwerker nach der Reparatur betont, dass wir die Tür besser nicht permanent entriegeln, sondern immer dann, wenn jemand rein will, die Tür kurz mit der Karte entsperren sollten. Hintergrund sei wohl, dass der Türbolzen bei permanenter Entriegelung wieder kaputt gehen kann. Anstatt sich aber diesem Problem anzunehmen, empfahl er allen ernstes, dass man die Leute reinlassen soll, wenn es klopft. D.h., nun muss immer ein Mitarbeiter aufstehen, die Tür von innen öffnen. Äußerst effizient. Ab morgen suchen wir eine andere Handwerkerfirma.

Leo.

Aufgrund eines von der Firma angeordneten Seminars hat eine meiner Mitarbeiterinnen ihren Deutschkurs verpasst. Als Kompensation versprach ich Ihr, das ich die Stunden mit ihr nachhole…aber holla die Waldfee. Deutsch ist ja wirklich eine schwere Sprache, vor allem, wenn man sie erklären soll. Bei den meisten grammatischen Regeln konnte ich nur sagen, dass ich sie benutze…aber die Regeln dazu erklären?
Wir haben uns deshalb vermehrt um Konversation und Lesen gekümmert. Das war ein Spaß, das chinesische Lernbuch ist wohl von einem Witzbold geschrieben worden. Heute gab es folgende Dialoge:

Kellner:   Guten Tag, was darf ich Ihnen bringen?
Gast:        Erst einmal die Karte!
Kellner:   Oh, Entschuldigung

Weiterhin interessant war eine Aufzählung der wichtigsten Lebensmittel in Deutschland: Kartoffel, Steak, Milch, Brot, Apfel und Hirn. Ja, richtig gehört. Auf einer Zeichnung im Lehrbuch war neben einem Apfel und anderen Lebensmittel auch ein Hirn aufgezeichnet. Zu dem hatte der Spaßvogel das Hirn auch in einen weiteren Dialog eingebaut. Die Kollegin ging wirklich davon aus, dass Hirn in Deutschland weit verbreitet ist. Aber nun der Dialog mit meines Erachtens brilliantem Humor:

Kellner:  Guten Tag, was wollen sie essen?
Gast 1:   Für mich ein Schnitzel mit Pommes und Ketchup und ein Bier.
Gast 2:   Für mich auch ein Bier, und haben Sie Hirn?
Kellner:  Ja, aber nicht zum essen. Bitte bestellen Sie etwas aus der Speisekarte.
Gast 2:   Dann bitte eine Gemüsepfanne.

Aber auch die Aussprachefehler der Kollegin sind toll. Schweinebraten hört sich wie Schweizerbraten an. Ob wohl meine eigene Sprachlehrerin auch so viel Spaß an meiner Aussprache hat?

Leo.

There are 9 million bicycles in Beijing, that’s a fact, it’s a thing we can’t deny, like the fact that I will love you till I die… aber es geht auch anders…

There are 9 million bicycles in Beijing, that’s a fact, and they all have no light, so let’s hope that one day they will not die… so ähnlich könnte man Katie Melua Lied umdichten.

Die fahren hier wirklich alle ohne Licht. Und in der Zwischenzeit ist es ja nur noch von 7 Uhr morgens bis 5 Uhr abends hell. Der Markt für Fahrradlichter könnte boomen, aber es schert sich keiner drum. Habe mal gehört, dass Fahrradlichter sogar verboten sind, um Autofahrer nicht zu irritieren, aber das halte ich für ein Gerücht. Ich war bis vor kurzem übrigens der einzige der 9 Millionen mit Licht. Aber mein Rücklicht ging verloren, und mein Vorderlicht wurde geklaut. Es war an den Fahrradkorb angeschraubt, der Dieb hat sich nicht mal die Mühe gemacht, es abzunehmen. Er hat es rausgerissen, so dass mein Korb nun ein kleines Loch hat. Aber warte nur, nun bist du der einzige mit Licht. Eines Abends sehe ich dich, und dann ist es wieder meins. Bis dahin hoffe ich, dass mich kein Auto übersieht.

Leo.

Freitagabend mit den Kollegen in einer Karaoke Bar im Nordosten Beijings. Das Bier floss reichlich, und die von der Firma gesponserten Weinflaschen wurden in kleine Gläser gegossen, um dann ‘Ganbei’, d.h. auf Ex, getrunken zu werden. In geregelter Reihenfolge singen alle Kollegen ihre Lieder herunter.

Ich bin überrascht. Zum einen von den eindeutig sehr guten Gesangskünsten fast aller Kollegen und Kolleginnen, aber auch von der Traurigkeit der Lieder. Natürlich verstehe ich nur wenig vom Inhalt, aber alleine schon die Stimmung zeigt, dass sich hier Leute vor Kummer die Seele vom Leib singen. Unterstützt wird das ganze durch die Videos, die zu jedem gesungen Lied auf dem Fernseher laufen. Schöne, einsame Frauen, die in großen Wohnungen sitzen und weinen, weil ihr Geliebter nicht da ist. Die Zügen hinterher rennen, am Hafen weinen, oder schluchzend sich im Park niederlassen. Dazu Männer, die vor ihrem Klavier zusammenbrechen, die ihre Wohnungseinrichtung zertrümmern, auf den Knien sitzend mit den Händen auf den Boden schlagen. Den ganzen Abend gibt es, mit Ausnahmen wenn wir Ausländer einen der wenigen englischen Lieder singen, keine Stimmungslieder. Zwar haben die traurigen Lieder keinen Einfluss auf die Laune der Kollegen, aber meine Neugier war geweckt. 2 oder 3 Kollegen, die noch ansprechbar waren, wurden von mir gefragt, warum die ganzen Lieder alle so traurig sind. Als Antwort erhielt ich, dass vor allem chinesische Frauen in der Liebe alles geben würden – und somit bei einer unvollkommenen Liebe der Schmerz umso größer sei. Ein weiterer meinte, dass die Chinesen ihr ganzen Leben ja nach Harmonie streben – aber eine Liebe ohne guten Ausgang ist das genaue Gegenteil davon, und deshalb so schlimm und singenswert. Ein dritter sah es etwas pragmatischer: “Wir mögen einfach das Gefühl der Traurigkeit”

Leo.

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