April 2009


Letztes Jahr wurde der koreanische Blogger Park Dae Sung unter dem Pseudonym “Minerva” zur Berühmtheit. Er hatte mehr als 100 Artikel zur koreanischen Wirtschaft auf seinem Blog veröffentlicht und einige richtige (aber auch einige falsche) Voraussagen getroffen. So sagte er z.B. die Abwertung des koreanische Won gegenüber dem Dollar voraus sowie den Kollaps von “Lehman Brothers”.

Zum Verhängnis wurde ihm ein Beitrag, in dem er behauptete, die koreanische Regierung verbiete bestimmten Finanzinstitutionen und Handelsfirmen, US-Dollar zu kaufen.

Die Staatsanwaltschaft klagte ihn daraufhin wegen des Verstoßes gegen das koreanische Kommunikationsgesetz an. Er habe bewusst Falschmeldungen verbreitet, der koreanischen Wirtschaft geschadet und Aktienkurse manipuliert.

Die Festnahme hatte in Korea zu Diskussionen um die Meinungsfreiheit geführt.Der Staatsanwaltschaft wurde vorgeworfen, nur einen Regierungskritiker Mundtod machen zu wollen.

Jetzt wurde “Minerva” freigesprochen. Der Richter konnte nicht erkennen, wie der Blogger dem öffentlichen Interesse geschadet habe.
Der Blog war in Korea sehr populär, hatte teilweise über 200.000 Besucher am Tag.
Jetzt kann sich Minerva also weiterhin zur koreanischen Wirtschaft auslassen und düstere Untergangsszenarien verbreiten.

Mich hat es mal wieder mal für 3 Wochen nach Korea verschlagen, deshalb wird es in nächster Zeit wieder einige Einträge von mir über meine Eindrücke aus Seoul geben.

Südkorea ist nach den Philippinen, das asiatische Land mit dem höchsten Bevölkerungsanteil bekennender Christen. In Deutschland sieht man manchmal einen Zeugen Jehova still in einer Ecke stehen. In Korea sind christliche Missionare aggressiver, laufen mit Lautsprecher durch die Gegend. Auch die Botschaft erinnert eher an das Mittelalter. Der eifrige Missionar im folgenden Bild hat die christilche Botschaft wohl wirklich auf den Punkt gebracht:

Lord Jesus Heaven

No Jesus Hell

Korea - Christliche Mission
Korea – Christliche Mission

Mir ist noch nicht klar, was die Steuerbehörde hier in China versucht. Diese kann nämlich nur die Umsätze verfolgen,die über sogenannte “Fapiaos” laufen. D.h., neben der normalen Rechnung, die z.B. im Restaurant oder Laden ausgestellt wird,muss man noch mal eine “offizielle” Rechnung, den sogenannten “Fapiao”, erbeten. Dieser wird entweder über eine spezielle Maschine gedruckt, oder die Firma muss dafür offizielle Schreibblöcke erwerben, auf denen dann per Hand ausgestellt wird. Da die Nachverfolgung von solchen Steuersünden wohl gering ist, haben die ausstellenden Restaurants oder Firmen also auch keine Lust, solche Fapiaos auszustellen. D.h., es fallen auch keinen Einnahmen für den Staat an. Deshalb musste ein Anreiz geschaffen werden.

 

So wurde auf den maschinell ausgestellten Fapiaos oben ein kleines, silbernes Rubbelfeld aufgetragen. Das kann man aufrubeln, und darunter ist dann mit wenig Glück eine 1, 2, 10, 50, 100 oder 1000 RMB Zeichen. Dieses kann man dann sofort beim Restaurant in Bares einlösen…wenn man Glück hat, denn zu oft gewinnt man nicht. Dennoch hatte dieses kleine Feld wohl die Wirkung, dass mehr Leute als sonst nach Fapiaos fragen…und somit der Staat mehr einnimmt.

Dennoch halte ich den Steuerbetrug hier für hoch. So gibt es z.B. auch bei der Wohnungssuche immer 2 Preise. Einen, den günstigen,ohne Fapiao (10 bis 20% günstiger), und den teureren Preis, wenn man einen Fapiao will. Die meisten Chinesen, die ich kenne, mieten ohne Fapiao…die meisten Ausländer mit, da sie ja die Wohnung meist von ihrer Firma bezahlt bekommen.

 

Heute habe ich übrigens nach langer Zeit mal wieder gerubbelt und 10 RMB gewonnen. Wenn das kein gutes Zeichen ist!

 

Leo.

In China passieren im Geschäftsleben öfters Dinge die so in Deutschland undenkbar wären.

Ein  natürlich anonymer Bekannter eines anonymen Bekannten hat ein interessantes Problem: Er hatte schon länger mit seiner Buchhalterin Meinungsverschiedenheiten. Es ging um verspätete Lohnzahlungen (wenn auch nur um einige Tage), eine Projektmanagerin, die eingestellt wurde und nebenbei plötzlich die Arbeit der Buchhalterin kontrollierte, auch um die Erledigung einer Arbeiten, die eher nicht in das Aufgabengebiet einer Buchhalterin fallen. Irgendwann kam es zum ultimativen Krach.

Normalerweise verschwinden nachtragende Angestellte ja eher mit den Firmenstempeln, die sich zwar aufwändig aber doch irgendwie ersetzen lassen.

Die chinesische Buchhalterin verschwand aber mit allen Unterlagen, die für die Bilanzprüfung benötigt wurden: Rechnungen, Quittungen, Lohnabrechnungen, Schecks, Kontoauszügen und sonstigen Unterlagen der Bank, sogar die Visitenkarten und Adresse der Steuerberatung lies sie mitgehen.

Der Chef, der nicht gut chinesisch kann, hatte also nicht einmal mehr Namen und Adresse der Steuerberatung des Unternehmens, das Büro war leer geräumt.

Die Buchhalterin ist kürzlich umgezogen. Sie kommt nicht aus Peking, die Wohnung, die sie in Peking gekauft hatte, läuft nicht auf ihren eigenen Namen. Niemand hat die geringste Ahnung wo sie ist.

Er hat eine neue Steuerberatung gesucht und wurde das erste mal seit er in China ist, wirklich in Versuchung geführt: Der erste Vorschlag der neuen Steuerberatung war nicht etwa, die Buchhalterin zu finden oder für den Fall das sie nicht auffindbar sei, eine andere legale Möglichkeit zu suchen, sondern einfach eine kleine Wirtschaftsprüfung zu schmieren, die dann die Bilanzprüfung ohne Unterlagen durchführt.

Ich bin sehr gespannt wie die Geschichte ausgeht (er wird mich für den Blog auf dem laufenden halten). Erstmal wird die Suche nach der Buchhalterin fortgesetzt. Und natürlich die Steuerberatung nochmal gewechselt und wohl Gespräche mit den Lokalen Steuerbehörden aufgenommen.

…ist der Platz, in dem (neben D-22 im Haidian district) in Peking junge Rockbands auftreten. Dabei gibt es einige Bands, die eher enttäuschen. Aber am Samstag abend gab es mal wieder ein echtes Highlight. ????? (hòu h?i  sh? ), übersetzt “Queen Sea big shark”, sind aufgetreten. Gegen 22 Uhr ging es mit einer ca. 6 minütigen Einstimmungsvideo los. Dabei wurde, zu ihrem Song C.B.D., Bilder aus China, dem chinesischen Fernsehen, Videoschnipsel und Pekinger Impressionen zusammengeführt. Ob es sich dabei um eine Hommage oder eine Satire handelte, konnte ich leider nicht feststellen.

Danach betraten die Frontfrau und Schlagzeuger, Gittarist und Bassist die Bühne, und die ca. 200 bis 300 Konzertbesucher begrüßten sie freudig. Die Band ist wohl nicht mehr ganz unbekannt, zu allen Songs wurde freudig mitgesungen. Dabei sind die Songtexte alle in Englisch, wobei ich wie oft dennoch wenig verstanden habe. Generell kamen die Songs um einiges rockiger rüber, als sie auf der CD sind, die ich mir später gekauft hatte. Aber das zeichnet ja auch gute Livebands aus.

Im Konzertsaal herrschte schnell ein Klima wie in der Saune, aber da mußten Zuschauer und Band über 90 Minuten durch. Gegen kurz vor 12 war das Konzert wieder vorbei, und die Menge strömte heim oder in die umliegenden Cafes und Bars, vor allem in die benachbarte und überaus beliebte Nan Luo Gu Xiang.

 

Solche Abende zeigen mir immer, dass in China viel in Bewegung ist – mehr als Wirtschaftswachstum, Umweltverschmutzung oder die Probleme der Menschenrechte. Es gedeiht hier etwas Neues, Eigenes, die Leute sind kritisch und kreativ, und es zeigt mal wieder, dass dieses Land nicht mit ein paar Wörtern beschrieben werden kann, sondern dass es hier alles gibt. Gutes wie Schlechtes.

 

Wer mal Lust hat reinzuhören, die Band ist auf myspace zu finden: Englisch gibt es hier:

http://cn.profile.myspace.com/index.cfm?fuseaction=user.viewprofile&friendID=1301067668

 

und Chinesisch hier:

http://www.myspace.cn/queenseabigshark

 

Mein Liebling ist übrigens Nr. 5: der Song “hello! passengers!” sowie 6 “love is pop”

 

P.S. Der Bandtitel bezieht sich übrigens auf den benachbarten Houhai See. Allerdings hat der keine Haie, sondern höchstens ein paar Goldfische, welche bei der akuten Wasserverschmutzung allerdings oft schon an der Oberfläche treiben (beim letzten Bootstrip, letzten Sonntag, habe ich 3 gezählt).

 

Leo.

Wir hatten uns schon gefreut, am 3. April hätten Oasis in Peking spielen sollen. Gewiss, die Band hat ihren Zenit wohl schon überschritten, und es gibt heutzutage Musik, die ich lieber hören würde. Da aber die Alternativen gering sind, hätte es auch Oasis getan. Aber schon Wochen vorher, als wir die Tickets kaufen wollten, wurden wir von der Meldung überrascht, dass das Konzert abgesagt wurde. Angeblich wegen finanziellen Problemen des Veranstalters.

In der Zwischenzeit sind wir den Gründen etwas näher gekommen. Und zwar haben wir einen Chinesen amerikanischer Abstammung kennen gelernt, welcher als Musikpromoter in Peking lebt. Dieser erläuterte uns, dass bei Oasis der Bandgründer Noel Gallagher wohl Ende der 90er Jahre bei einem Pro-Tibet Konzert mitgespielt hatte. Dies war einem Offiziellen aufgefallen, und deshalb wurden die Konzerte verboten.

 

Laut diesem Musikmanager gibt es aber noch eine andere Hürde. Und zwar müssen fremdländische Bands vor der Konzertreise ein komplettes Dokument abgeben, in dem sowohl wörtlich alle Liedtexte aufgeführt sind sowie die Ansprachen zwischen den Liedern. Spontanität ade! Angeblich sitzt bei den Konzerten eine Kommission im Hintergrund, welche bei Abweichung von den Texten den Stecker zieht (was ich nicht glaube), aber vor allem später den Veranstalter, und nicht den Sänger, für die Abweichung haftbar macht. Je nach Art der Abweichung geht es hier um Geldstrafen oder Gefängnis. Da die Veranstalter lokale Firmen sind, wird dies wohl der Hauptgrund sein, warum kein Veranstalter sich unter diesen Umständen darauf einlassen will, eine Rockband wie Oasis, die sich in früheren Jahren auch schon mal betrunken auf der Bühne geprügelt haben oder das Publikum anpöbeln, unter Vertrag zu nehmen. Würde ich selber auch nicht machen.

 

Aber das heißt auch, dass wir auch in Zukunft auf gute Konzerte verzichten müssen. Auslöser für die Verschärfung war übrigens wohl die Sängerin Björk, welche nach einem Konzert in Shanghai wohl und dem Song “declare independence” wohl dazu noch “Tibet, Tibet” gerufen hat. Generell kann man darüber streiten, welchen Nutzen es den Tibetern bringt, wenn solche Statements gemacht werden. Aber nun ist das Kind schon in den Brunnen gefallen. Statt Oasis kam übrigens Celine Dion, bei der wohl keine Angst besteht, dass sie aus ihrer Rolle fällt.

 

Leo.

Neulich hatte ich ja schon einmal über die gestiegene Gewaltbereitschaft in SANLITUN berichtet. Seit neustem gibt es einen Fall, der die Ausländer hier in Peking noch mehr erschreckt. Und zwar wurde vor knapp 1 Woche ein Ausländer in SANLITUN überfallen. Von 2 bis 3 Männern und mit einem sogenannten “Taser”, einer Elektroschockpistole. Das Erschreckende für viele daran: Der Mann wurde nicht von Chinesen, sondern von Ausländern überfallen und beraubt. Das trifft die hier lebenden Ausländer an einer empfindlichen Stelle, den bislang lief man hier blind durch alle dunklen Gassen, weil 2 Glaubenssätze galten:
1.) Chinesen überfallen keine Ausländer, da dies
a.) gegen Kultur und Gastfreundschaft verstößt aber
b.) vielmehr damit zu tun hat, dass die chinesischen Gerichte Übergriffe auf Ausländer viel stärker ahnden als auf Einheimische
2.) In China/Beijing lebende Ausländer stellen auch keine Gefahr da (höchstens als betrunkene Raufbolde), da diese
a.) Entweder als Expats hier leben und im Geld schwimmen
b.) Seit langer Zeit in Peking sind und sich ein eigenes Business eröffnet haben (brauchen also auch kein Geld aus Ueberfällen)
c.) Als Praktikanten oder Studenten hier nur ein halbes Jahr sind und sich nicht auf Überfälle spezialisieren
d.) Generel fast alle hier lebenden Ausländer nicht aus den Schichten kommen, aus denen Gewalttäter öfters vermutet werden.
Dieser Glaubenssatz gilt nun nicht mehr. Ich bin gespannt, ob es zu weiteren Übergriffen kommt. Anscheinend hat auch die lokale Polizei schon Sorgen, denn die meisten chinesischen Polizisten streifen noch immer ohne Waffe (selbst ohne Schlagstock oder Handschellen) durch ihr Revier, da der Respekt gegenüber ihrem Amt noch existiert. Im Falle eines Zusammentreffens mit obiger Räuberbande würde ihnen das aber auch nicht mehr helfen.

Leo.

Liu lebt, aufgrund seiner angespannten finanziellen Lage, noch mit seinen Eltern zusammen. Obwohl, wenn er genug Geld hätte, bin ich gar nicht sicher, ob er wegziehen würde. Aber das ist ein anderes Thema. Er lebt auf jeden Fall mit Eltern, Tanten, Oma und anderen (insgesamt 10 Familienmitgliedern) in einem alten Hutong. Als ich ihn frage, wie er sich mit seiner Oma versteht, meint er: “Ich sehe sie jeden Tag, aber wir haben seit einem Jahr nicht mehr miteinander geredet. Und das kam so: Der Hutong besteht aus mehreren zusammenhängenden Häusern. Angemietet ist das alles von Lius Vater. Als nun vor einem Jahr ein Onkel wegzog, wurde ein Zimmer frei. Sowohl seine Tante als auch die Oma hatten sich wohl Hoffnungen auf das Zimmer gemacht.

Und so hätte es der Tradition halber auch sein sollen, aber Lius Vater hat sich das Zimmer selber zu eigen gemacht. Ohne Rücksprache. Und deshalb reden Tante und Oma nicht mehr mit dem Vater, und folglich auch nicht mehr mit Liu. Das Problem ansprechen wird keiner, und der Vater wird das nicht rückgängig machen, weil er damit seinen Fehler zugeben würde. Somit wird diesee angespannte Stimmung auf unbestimmte Zeit fortdauern. Eine Rettung wäre eine Rückkehr des ausgezogenen Onkels, aber danach sieht es nicht aus.

Leo.

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