Einige Zeit hatte ich nichts von Lu Liu gehört. Doch dann traff es mich wie ein Paukenschlag! Er schrieb mir eine SMS, dass er mit Freuden nun in einem Hutong wohnt. Schnell besuchte ich ihn, und wollte wissen, wir er den Auszug geschafft hat… ohne Gesichtsverlust bei der Familie.
Er strahlte, das Schicksal war im zu Hilfe gekommen. Und zwar hatte der Nachbar im Hutong seiner Familie einige Umbauten geplant, welche auch Umbauten an anderen Hutongs erforderten. Dadurch wäre aber Lu Lius Zimmer für ein paar Monate unbewohnbar geworden…so zog er dank diesen Grund aus. Zurück will er nicht, er hofft, dass sich seine Oma das Zimmer schnappt (siehe Blogs vor einem Monat), und somit auch der Familienstreit beigelegt werden kann.
Zu dem hat Lu Liu einen neue Frau kennen gelernt. D.h, er hat gesehen, dass sie im Nachbarhaus seines neuen Hutongs wohnt…das reicht ihm, um erst mal glücklich zu sein. Und auch seinen Lebenslauf hat er fertig, mit dem er sich nun bewerben will. Als erstes bei meiner Firma, ich werde seine Bewerbung mit Empfehlung einreichen. Was daraus wird in ein paar Tagen, wenn er hoffentlich auf ein Vorstellungsgespräch eingeladen wird.
Leo.

Liu lebt, aufgrund seiner angespannten finanziellen Lage, noch mit seinen Eltern zusammen. Obwohl, wenn er genug Geld hätte, bin ich gar nicht sicher, ob er wegziehen würde. Aber das ist ein anderes Thema. Er lebt auf jeden Fall mit Eltern, Tanten, Oma und anderen (insgesamt 10 Familienmitgliedern) in einem alten Hutong. Als ich ihn frage, wie er sich mit seiner Oma versteht, meint er: “Ich sehe sie jeden Tag, aber wir haben seit einem Jahr nicht mehr miteinander geredet. Und das kam so: Der Hutong besteht aus mehreren zusammenhängenden Häusern. Angemietet ist das alles von Lius Vater. Als nun vor einem Jahr ein Onkel wegzog, wurde ein Zimmer frei. Sowohl seine Tante als auch die Oma hatten sich wohl Hoffnungen auf das Zimmer gemacht.

Und so hätte es der Tradition halber auch sein sollen, aber Lius Vater hat sich das Zimmer selber zu eigen gemacht. Ohne Rücksprache. Und deshalb reden Tante und Oma nicht mehr mit dem Vater, und folglich auch nicht mehr mit Liu. Das Problem ansprechen wird keiner, und der Vater wird das nicht rückgängig machen, weil er damit seinen Fehler zugeben würde. Somit wird diesee angespannte Stimmung auf unbestimmte Zeit fortdauern. Eine Rettung wäre eine Rückkehr des ausgezogenen Onkels, aber danach sieht es nicht aus.

Leo.

Ich hatte mich schon immer mal gefragt was eigentlich passiert, wenn es in den Hutongs mal brennt. Normale Löschfahrzeuge kommen nämlich an einigen Ecken der Hutongs wirklich sehr schlecht ran. Jetzt weiß ich es, aber seht Euch die Antwort darauf mal selbst an…

Feuerwehrfahrzeug

Wer als Ausländer in Beijing etwas auf sich hält, der geht in die Hutongs. Wenigstens zum Bummeln in die Nanluoguxiang, oder man weicht in die Nebenstrassen am Houhai aus, wenn dort zu viele Menschen rumlaufen. Wer will, der kauft sich in einem der Läden ein T-Shirt mit den chinesischen Schriftzeichen “Hutong bewahren”. Doch wer will eigentlich die Hutongs bewahren – und warum überhaupt? 

 Die Hutongs haben unter Ausländern einen guten Ruf. Sie stellen das alte Beijing dar – vermitteln ein besonderes Flair. Ich frage mich manchmal, wie sich die Anwohner dort fühlen. Denn nüchtern betrachtet ist das Leben in den Hutongs weder romantisch noch abenteuerlich, sondern einfach beschwerlich. Im Sommer heiß, im Winter kalt sowie keine richtigen Abwasserleitungen, so dass man sich die Toilette mit Nachbarn oder Touristen teilt. Besonders unangenehm finde ich, dass es keine Trennung zwischen den Bodenlöchern gibt – wer also seinen Bedürfnissen nachgeht, hat dabei noch oft Gesellschaft. Einen noch recht sauberen Eindruck macht dabei das Bild im Anhang.

Natürlich gibt es auch die renovierten Hutongs. Da gibt es Heizungen, Klimaanlage, Duschen, Warmwasser, Toiletten, Internet…alles, was der Mensch von heute so braucht. Da wohnen dann nicht mehr mehrere Familien, sondern nur noch eine. Meist auch eine, welche das 20 fache Monatsgehalt eines Wanderarbeiters hat. Diese Wohnung kann sich dann kein normaler Chinese mehr leisten. Selbst wenn diese Hutongs bestehen bleiben – das von vielen erfahrene Flair wird es dort nicht mehr geben.

Und so bin ich zwiegespalten, was ich von den Hutongs halten soll. Ohne sie wäre Beijing nicht das, wie wir es kennen. Aber sie so lassen? Oder, wie ich neulich mal gehört habe, “todsanieren”? Vielleicht gibt es ja auch noch einen Mittelweg – Sanierung der Hutongs, Vermietung einiger zu hohen Preisen, dadurch Mitfinanzierung der anderen, um das Flair zu erhalten. Aber das könnte nur durch die Stadt geschehen – und die ist meines Erachtens eher nach dem neuen Buch von Dieter Bohlen unterwegs “planieren statt sanieren”.

Leo.

öffentliche Toilette