Neulich feierten wir den Geburtstag eines Freundes. Zwar war ein Großteil der Gäste Ausländer, dennoch hatte er beschlossen, den Tag „richtig chinesisch“ zu feiern. Das bedeutete: nach dem Essen ging es zum Karaoke.
Während des Essen began ich mich mit einem chinesischem Gast zu unterhalten. Schnell kamen wir auf das Thema Karaoke, und wie groß der Spaß dabei sei. Ich meinte, dass ich selbst nicht besonders gut singe, aber das einige der weiblichen Gäste gute Sänger seien, auf die er sich später freuen kann. Er sah mich verwundert an. „Gehen die Frauen denn mit?“, wollte er wissen. „Natürlich“, meine ich, „wir gehen da alle hin“. Danach wollte er wissen, in welchen Karaoke Club wir gehen. „Na ins Melody, wohl das größte in Peking!“ Das fand er dann nicht mehr so komisch. Unter der Hand erläuterte er mir, dass es im Melody „nur für Familien und Kinder gut ist“. Grund ist, dass dort die weibliche Betreuung nicht so weit geht als anderswo.

„Normalerweise,“ flüsterte er nach ein paar „bái ji?“, geht er und seine Freunde zu Geburtstagsessen und den Vergnügungen danach immer ohne Frauen. Und bei Karaoke, da sei das Singen nicht so wichtig. Aber man bestellt sich immer ein paar knapp bekleidete Animierdamen. Mit denen werden dann Sing- und Trinkspiele gemacht, wobei die Mädels danach meist ganz unbekleidet rumrennen, aber auch die Getränkerechnung nach oben getrieben haben. Und natürlich gibt es auch noch getrennte Räume, in denen man alleine mit einem Mädchen Karaoke singen darf (zur Tarnung sind da wirklich Fernseher und Mikrofon drin).
„Naja’“, meinte ich zum sichtlich angeheiterten, aber auch etwas enttäuschten Gast, „das wird wohl heute nichts.“ Gut gesungen hat er später trotzdem.

Leo.

Am 3ten Ring, an der Kreuzung der Tuanjiehu U-Bahn, werden den vor der Ampel wartenden Autos oft Reklame angeboten. Häuser kaufen, neue Restaurants, Reisen, solche Zettel werden dort verteilt.

Gestern allerdings machte ein merkwürdiger Verkäufer auf sich aufmerksam: Der Mann hatte 3 Produkte zu verkaufen. Über den Schultern trug er eine Rolle mit einer sehr grossen chinesischen Landkarte. Über den Arm gehängt hatter er Ladekabel für Handys, welche an den Zigarrettenanzünder der Autos geschlossen werden können. Und in der Hand trug er…2 Schildkröten. So bewaffnet ging er von Auto zu Auto und versuchte, seine Produkte an den Mann zu bringen. Wir fragten uns wirklich, ob es jemand gibt, der an der Ampel eine Schildkröte kauft. Und wozu? Zum essen oder als Haustier? Diese Frage wurde uns nicht beantwortet, allerdings scheint der Mann auf eine Marktlücke gestoßen zu sein. Als wir ca. 1 Stunde später wieder vorbei fuhren, hatte er nur noch eine Schildkröte in der Hand…

Leo.

Einige Zeit hatte ich nichts von Lu Liu gehört. Doch dann traff es mich wie ein Paukenschlag! Er schrieb mir eine SMS, dass er mit Freuden nun in einem Hutong wohnt. Schnell besuchte ich ihn, und wollte wissen, wir er den Auszug geschafft hat… ohne Gesichtsverlust bei der Familie.
Er strahlte, das Schicksal war im zu Hilfe gekommen. Und zwar hatte der Nachbar im Hutong seiner Familie einige Umbauten geplant, welche auch Umbauten an anderen Hutongs erforderten. Dadurch wäre aber Lu Lius Zimmer für ein paar Monate unbewohnbar geworden…so zog er dank diesen Grund aus. Zurück will er nicht, er hofft, dass sich seine Oma das Zimmer schnappt (siehe Blogs vor einem Monat), und somit auch der Familienstreit beigelegt werden kann.
Zu dem hat Lu Liu einen neue Frau kennen gelernt. D.h, er hat gesehen, dass sie im Nachbarhaus seines neuen Hutongs wohnt…das reicht ihm, um erst mal glücklich zu sein. Und auch seinen Lebenslauf hat er fertig, mit dem er sich nun bewerben will. Als erstes bei meiner Firma, ich werde seine Bewerbung mit Empfehlung einreichen. Was daraus wird in ein paar Tagen, wenn er hoffentlich auf ein Vorstellungsgespräch eingeladen wird.
Leo.
Die Beijing Hikers, eine aus verschiedenen Nationalitäten bestehende Wandergruppe, hatte sich am letzten Samstag zu einer besonderen Wanderung zusammengeschlossen. Zusammen ging es, nach ca. 3 Stunden Busfahrt, westwärts von Peking nach Chuandixia. Dort gibt es in 1600 Meter Höhe ein schönes Hochplateau. Dieses ist jedoch, leider auch dank der Wandergruppen, die dort vorbei laufen, recht verschmutzt. In Anlehnung an den nahenden “Earth Day” war das Ziel der Reise neben ca. 800 Meter Höhenüberwindung die Reinigung des Platzes. Nach 2 Stunden Fussmarsch angekommen, strömten ca. 30 Ausländer aus und sammelten mit Handschuhen und Plastiksäcken das ein, was in den vorherigen Jahren achtlos liegen gelassen wurde. Schnell hatten wir 20 x 100 Liter Säcke gefüllt. Unter den ungläubigen Blicken von Chinesen reinigten wir den Platz. Doch für viele war dies auch ein positives Zeichen, wir wurden angesprochen, gelobt, und viele schlossen sich uns an. Innerhalb kurzer Zeit war der Platz fast blitzblank, und wir machten uns zurück auf einem wunderschönen Wanderweg ins Tal. Zwischendrin begegneten wir anderen Wandergruppen, welche ebenfalls von unserer Aktion angetan waren. Wir überlegten uns insgeheim, wie es wohl wäre, wenn eine Horde Chinesen die Lüneburger Heide oder den Strand in Usedom reinigen würde…die Bild Zeitung hätte ihre Schlagzeile sicher. Aber bei uns war keine Zeitung, und im Dorf unten gab es auch keinen freudigen Empfang, sondern nur die Frage: “Wohin nun eigenglich mit dem Müll?” Unser Busfahrer wollte das Zeug nicht nach Peking befördern, aber ein Dorfbewohner bot sich an, das Zeug zu behalten…er wollte noch die vielen Pfandflaschen aussortieren. Ich hoffe sehr, dass er den Rest nicht irgendwo anders in Gebüsch geworfen hat.
Dennoch fuhren wir stolz nach Peking zurück. Jeden Tag ein gute Tat, wie das alte Pfadfindersprichwort sagt.
Leo.

Mir ist noch nicht klar, was die Steuerbehörde hier in China versucht. Diese kann nämlich nur die Umsätze verfolgen,die über sogenannte “Fapiaos” laufen. D.h., neben der normalen Rechnung, die z.B. im Restaurant oder Laden ausgestellt wird,muss man noch mal eine “offizielle” Rechnung, den sogenannten “Fapiao”, erbeten. Dieser wird entweder über eine spezielle Maschine gedruckt, oder die Firma muss dafür offizielle Schreibblöcke erwerben, auf denen dann per Hand ausgestellt wird. Da die Nachverfolgung von solchen Steuersünden wohl gering ist, haben die ausstellenden Restaurants oder Firmen also auch keine Lust, solche Fapiaos auszustellen. D.h., es fallen auch keinen Einnahmen für den Staat an. Deshalb musste ein Anreiz geschaffen werden.

 

So wurde auf den maschinell ausgestellten Fapiaos oben ein kleines, silbernes Rubbelfeld aufgetragen. Das kann man aufrubeln, und darunter ist dann mit wenig Glück eine 1, 2, 10, 50, 100 oder 1000 RMB Zeichen. Dieses kann man dann sofort beim Restaurant in Bares einlösen…wenn man Glück hat, denn zu oft gewinnt man nicht. Dennoch hatte dieses kleine Feld wohl die Wirkung, dass mehr Leute als sonst nach Fapiaos fragen…und somit der Staat mehr einnimmt.

Dennoch halte ich den Steuerbetrug hier für hoch. So gibt es z.B. auch bei der Wohnungssuche immer 2 Preise. Einen, den günstigen,ohne Fapiao (10 bis 20% günstiger), und den teureren Preis, wenn man einen Fapiao will. Die meisten Chinesen, die ich kenne, mieten ohne Fapiao…die meisten Ausländer mit, da sie ja die Wohnung meist von ihrer Firma bezahlt bekommen.

 

Heute habe ich übrigens nach langer Zeit mal wieder gerubbelt und 10 RMB gewonnen. Wenn das kein gutes Zeichen ist!

 

Leo.

…ist der Platz, in dem (neben D-22 im Haidian district) in Peking junge Rockbands auftreten. Dabei gibt es einige Bands, die eher enttäuschen. Aber am Samstag abend gab es mal wieder ein echtes Highlight. ????? (hòu h?i  sh? ), übersetzt “Queen Sea big shark”, sind aufgetreten. Gegen 22 Uhr ging es mit einer ca. 6 minütigen Einstimmungsvideo los. Dabei wurde, zu ihrem Song C.B.D., Bilder aus China, dem chinesischen Fernsehen, Videoschnipsel und Pekinger Impressionen zusammengeführt. Ob es sich dabei um eine Hommage oder eine Satire handelte, konnte ich leider nicht feststellen.

Danach betraten die Frontfrau und Schlagzeuger, Gittarist und Bassist die Bühne, und die ca. 200 bis 300 Konzertbesucher begrüßten sie freudig. Die Band ist wohl nicht mehr ganz unbekannt, zu allen Songs wurde freudig mitgesungen. Dabei sind die Songtexte alle in Englisch, wobei ich wie oft dennoch wenig verstanden habe. Generell kamen die Songs um einiges rockiger rüber, als sie auf der CD sind, die ich mir später gekauft hatte. Aber das zeichnet ja auch gute Livebands aus.

Im Konzertsaal herrschte schnell ein Klima wie in der Saune, aber da mußten Zuschauer und Band über 90 Minuten durch. Gegen kurz vor 12 war das Konzert wieder vorbei, und die Menge strömte heim oder in die umliegenden Cafes und Bars, vor allem in die benachbarte und überaus beliebte Nan Luo Gu Xiang.

 

Solche Abende zeigen mir immer, dass in China viel in Bewegung ist – mehr als Wirtschaftswachstum, Umweltverschmutzung oder die Probleme der Menschenrechte. Es gedeiht hier etwas Neues, Eigenes, die Leute sind kritisch und kreativ, und es zeigt mal wieder, dass dieses Land nicht mit ein paar Wörtern beschrieben werden kann, sondern dass es hier alles gibt. Gutes wie Schlechtes.

 

Wer mal Lust hat reinzuhören, die Band ist auf myspace zu finden: Englisch gibt es hier:

http://cn.profile.myspace.com/index.cfm?fuseaction=user.viewprofile&friendID=1301067668

 

und Chinesisch hier:

http://www.myspace.cn/queenseabigshark

 

Mein Liebling ist übrigens Nr. 5: der Song “hello! passengers!” sowie 6 “love is pop”

 

P.S. Der Bandtitel bezieht sich übrigens auf den benachbarten Houhai See. Allerdings hat der keine Haie, sondern höchstens ein paar Goldfische, welche bei der akuten Wasserverschmutzung allerdings oft schon an der Oberfläche treiben (beim letzten Bootstrip, letzten Sonntag, habe ich 3 gezählt).

 

Leo.

Wir hatten uns schon gefreut, am 3. April hätten Oasis in Peking spielen sollen. Gewiss, die Band hat ihren Zenit wohl schon überschritten, und es gibt heutzutage Musik, die ich lieber hören würde. Da aber die Alternativen gering sind, hätte es auch Oasis getan. Aber schon Wochen vorher, als wir die Tickets kaufen wollten, wurden wir von der Meldung überrascht, dass das Konzert abgesagt wurde. Angeblich wegen finanziellen Problemen des Veranstalters.

In der Zwischenzeit sind wir den Gründen etwas näher gekommen. Und zwar haben wir einen Chinesen amerikanischer Abstammung kennen gelernt, welcher als Musikpromoter in Peking lebt. Dieser erläuterte uns, dass bei Oasis der Bandgründer Noel Gallagher wohl Ende der 90er Jahre bei einem Pro-Tibet Konzert mitgespielt hatte. Dies war einem Offiziellen aufgefallen, und deshalb wurden die Konzerte verboten.

 

Laut diesem Musikmanager gibt es aber noch eine andere Hürde. Und zwar müssen fremdländische Bands vor der Konzertreise ein komplettes Dokument abgeben, in dem sowohl wörtlich alle Liedtexte aufgeführt sind sowie die Ansprachen zwischen den Liedern. Spontanität ade! Angeblich sitzt bei den Konzerten eine Kommission im Hintergrund, welche bei Abweichung von den Texten den Stecker zieht (was ich nicht glaube), aber vor allem später den Veranstalter, und nicht den Sänger, für die Abweichung haftbar macht. Je nach Art der Abweichung geht es hier um Geldstrafen oder Gefängnis. Da die Veranstalter lokale Firmen sind, wird dies wohl der Hauptgrund sein, warum kein Veranstalter sich unter diesen Umständen darauf einlassen will, eine Rockband wie Oasis, die sich in früheren Jahren auch schon mal betrunken auf der Bühne geprügelt haben oder das Publikum anpöbeln, unter Vertrag zu nehmen. Würde ich selber auch nicht machen.

 

Aber das heißt auch, dass wir auch in Zukunft auf gute Konzerte verzichten müssen. Auslöser für die Verschärfung war übrigens wohl die Sängerin Björk, welche nach einem Konzert in Shanghai wohl und dem Song “declare independence” wohl dazu noch “Tibet, Tibet” gerufen hat. Generell kann man darüber streiten, welchen Nutzen es den Tibetern bringt, wenn solche Statements gemacht werden. Aber nun ist das Kind schon in den Brunnen gefallen. Statt Oasis kam übrigens Celine Dion, bei der wohl keine Angst besteht, dass sie aus ihrer Rolle fällt.

 

Leo.

Neulich hatte ich ja schon einmal über die gestiegene Gewaltbereitschaft in SANLITUN berichtet. Seit neustem gibt es einen Fall, der die Ausländer hier in Peking noch mehr erschreckt. Und zwar wurde vor knapp 1 Woche ein Ausländer in SANLITUN überfallen. Von 2 bis 3 Männern und mit einem sogenannten “Taser”, einer Elektroschockpistole. Das Erschreckende für viele daran: Der Mann wurde nicht von Chinesen, sondern von Ausländern überfallen und beraubt. Das trifft die hier lebenden Ausländer an einer empfindlichen Stelle, den bislang lief man hier blind durch alle dunklen Gassen, weil 2 Glaubenssätze galten:
1.) Chinesen überfallen keine Ausländer, da dies
a.) gegen Kultur und Gastfreundschaft verstößt aber
b.) vielmehr damit zu tun hat, dass die chinesischen Gerichte Übergriffe auf Ausländer viel stärker ahnden als auf Einheimische
2.) In China/Beijing lebende Ausländer stellen auch keine Gefahr da (höchstens als betrunkene Raufbolde), da diese
a.) Entweder als Expats hier leben und im Geld schwimmen
b.) Seit langer Zeit in Peking sind und sich ein eigenes Business eröffnet haben (brauchen also auch kein Geld aus Ueberfällen)
c.) Als Praktikanten oder Studenten hier nur ein halbes Jahr sind und sich nicht auf Überfälle spezialisieren
d.) Generel fast alle hier lebenden Ausländer nicht aus den Schichten kommen, aus denen Gewalttäter öfters vermutet werden.
Dieser Glaubenssatz gilt nun nicht mehr. Ich bin gespannt, ob es zu weiteren Übergriffen kommt. Anscheinend hat auch die lokale Polizei schon Sorgen, denn die meisten chinesischen Polizisten streifen noch immer ohne Waffe (selbst ohne Schlagstock oder Handschellen) durch ihr Revier, da der Respekt gegenüber ihrem Amt noch existiert. Im Falle eines Zusammentreffens mit obiger Räuberbande würde ihnen das aber auch nicht mehr helfen.

Leo.

Liu lebt, aufgrund seiner angespannten finanziellen Lage, noch mit seinen Eltern zusammen. Obwohl, wenn er genug Geld hätte, bin ich gar nicht sicher, ob er wegziehen würde. Aber das ist ein anderes Thema. Er lebt auf jeden Fall mit Eltern, Tanten, Oma und anderen (insgesamt 10 Familienmitgliedern) in einem alten Hutong. Als ich ihn frage, wie er sich mit seiner Oma versteht, meint er: “Ich sehe sie jeden Tag, aber wir haben seit einem Jahr nicht mehr miteinander geredet. Und das kam so: Der Hutong besteht aus mehreren zusammenhängenden Häusern. Angemietet ist das alles von Lius Vater. Als nun vor einem Jahr ein Onkel wegzog, wurde ein Zimmer frei. Sowohl seine Tante als auch die Oma hatten sich wohl Hoffnungen auf das Zimmer gemacht.

Und so hätte es der Tradition halber auch sein sollen, aber Lius Vater hat sich das Zimmer selber zu eigen gemacht. Ohne Rücksprache. Und deshalb reden Tante und Oma nicht mehr mit dem Vater, und folglich auch nicht mehr mit Liu. Das Problem ansprechen wird keiner, und der Vater wird das nicht rückgängig machen, weil er damit seinen Fehler zugeben würde. Somit wird diesee angespannte Stimmung auf unbestimmte Zeit fortdauern. Eine Rettung wäre eine Rückkehr des ausgezogenen Onkels, aber danach sieht es nicht aus.

Leo.

Beim Mittagstisch kam ein interessantes Gerücht auf. Ein Kollege meinte, der Mao im Maosoleum sei gar nicht der Echte. Mao wollte wohl immer verbrannt werden, deshalb wäre es eine Schande, ihn so auszustellen. Und vor allem, ein echter Chinese muss nach seinem Tod zurueck in seine Heimatregion, alles andere ist gegen die Tradition. Beweise hat keiner, aber ein anderer Kollege meinte, das stimme, denn weshalb sonst darf man keine Fotos machen, und die Wachen schicken einen so schnell durch die Besichtigung, dass man keine Details erhaschen kann.

Leo.

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