Das Mädel hat zurück geschrieben, und von da an haben sie sich regelmässig Emails, Nachrichten über Skype oder angeblich 1500 SMS in 30 Tagen gesendet. Auf die Idee, mal mit ihr auszugehen, kam er nicht. Allerdings war die Beziehung für ihn schon so weit fortgeschritten, dass er sie mir gegenüber als seine Freundin bezeichnete. Als ich ihn ein paar Tage später zum Essen traf, hatte sie sich schon wieder von ihm getrennt. Natütlich per SMS. Lu Liu war sehr geknickt und meinte, dass liegt daran, dass er nicht sehr gut verdient und auch kein Auto hat.

Leo.

Er hat da eine kennengelernt, eine Bekannte der Frau seines Kollegen. Sieht ganz nett aus, und wohl auch ohne Freund. Sie waren mit anderen Kollegen und ihr essen. Aber an dem Abend war er viel zu schüchtern, mit ihr zu reden, obwohl zwischen ihr und ihm nur ein anderer Kollege saß. Und anstatt dann in den kommenden Tagen den Kollegen etwas über sie ausfragen, ggf. nach ihrer Nummer fragen oder rauszufinden, wo man sie „zufällig“ mal treffen kann – nein, nix davon, dann hätte der Kollege ja mitbekommen, dass er das Mädchen gut findet.Lu Liu ging dann lieber ins Internet, auf eine chinesische Facebook-Variante, und hat sich durch die Profile aller Freunde geklickt – bis er das Mädel bei einem als Kontakt gefunden hat und sie angeschrieben hat. Vielleicht ist Lu Liu ja auch schüchtern, allerdings habe ich schon öfters von diesem sehr indirekten Vorgehen gehört.

Leo. 

Freundschaften schließen mit Chinesen ist nicht leicht. Ich muss ehrlich sagen, dass dies eine der Dinge ist, die mir hier fehlen. Tiefgreifende Gespräche. Das liegt aber meines Erachtens daran, dass das Leben so unterschiedlich ist. Vor allem die Erwartungen, die die Familie an den einzeln hat, erzeugt Probleme, die wir Westler nur sehr schwer nachvollziehen können. Und auch die Lösungen, die wir dann wählen würden, passen so gar nicht in den chinesischen Weg.

 Und doch bin ich manchmal überrascht, was mir chinesische Bekannte so alles von ihren Sorgen erzählen. Allerdings kommt es dann nicht zur Analyse der Probleme, sie wollen es einfach nur erzählen – aber nicht darüber reden, Antworten meinerseits sind nicht zwingend erwünscht. Ich habe mir überlegt, dass sie in ihrem Bekanntenkreis nicht so darüber reden können, denn insbesondere Männer zeigen ja kaum Gefühle.

Die Probleme, die mein chinsischer Bekannter mir neulicch erzählt hat, sind vom Prinzip her erst mal so, wie man sie im Westen auch kennt: Frauen, berufliche Karriere, eigenständies Leben. Ich will in den kommenden Tagen darüber etwas berichten.

Leo.

Freitagabend mit den Kollegen in einer Karaoke Bar im Nordosten Beijings. Das Bier floss reichlich, und die von der Firma gesponserten Weinflaschen wurden in kleine Gläser gegossen, um dann ‘Ganbei’, d.h. auf Ex, getrunken zu werden. In geregelter Reihenfolge singen alle Kollegen ihre Lieder herunter.

Ich bin überrascht. Zum einen von den eindeutig sehr guten Gesangskünsten fast aller Kollegen und Kolleginnen, aber auch von der Traurigkeit der Lieder. Natürlich verstehe ich nur wenig vom Inhalt, aber alleine schon die Stimmung zeigt, dass sich hier Leute vor Kummer die Seele vom Leib singen. Unterstützt wird das ganze durch die Videos, die zu jedem gesungen Lied auf dem Fernseher laufen. Schöne, einsame Frauen, die in großen Wohnungen sitzen und weinen, weil ihr Geliebter nicht da ist. Die Zügen hinterher rennen, am Hafen weinen, oder schluchzend sich im Park niederlassen. Dazu Männer, die vor ihrem Klavier zusammenbrechen, die ihre Wohnungseinrichtung zertrümmern, auf den Knien sitzend mit den Händen auf den Boden schlagen. Den ganzen Abend gibt es, mit Ausnahmen wenn wir Ausländer einen der wenigen englischen Lieder singen, keine Stimmungslieder. Zwar haben die traurigen Lieder keinen Einfluss auf die Laune der Kollegen, aber meine Neugier war geweckt. 2 oder 3 Kollegen, die noch ansprechbar waren, wurden von mir gefragt, warum die ganzen Lieder alle so traurig sind. Als Antwort erhielt ich, dass vor allem chinesische Frauen in der Liebe alles geben würden – und somit bei einer unvollkommenen Liebe der Schmerz umso größer sei. Ein weiterer meinte, dass die Chinesen ihr ganzen Leben ja nach Harmonie streben – aber eine Liebe ohne guten Ausgang ist das genaue Gegenteil davon, und deshalb so schlimm und singenswert. Ein dritter sah es etwas pragmatischer: “Wir mögen einfach das Gefühl der Traurigkeit”

Leo.

Chinesen haben ja ein etwas anderes Empfinden für die Liebe, jedenfalls die meisten, mit denen ich bisher geredet habe. Romantik, Sehnsucht, Gemeinsamkeit haben wenigstens nach außen hin einen anderen Stellenwert. Heute kam es dann in einem Gespräch dazu, dass mich interessiert hat, ob der meistbekannte chinesische Basketballspieler Yao Ming eine Freundin hat. Und falls ja, ist sie klein oder groß?

Die Antwort war: Ja, er hat eine, und sie ist Basketballspielerin in China. Ob sie es ins Nationalteam geschafft hat, konnte man mir nicht sagen – aber darum geht es auch nicht. Es ist vielmehr so, dass Yao Ming in der NBA spielt und so geschätzte 15 Flugstunden von China entfernt ist. Seine Freundin lebt aber weiterhin hier in China. Als ich fragte, warum sie nicht in die USA zieht, teilten mir die verdutzen Kollegen mit, dass sie hier in China Basketball zu spielen hat. Meinem Einwand zu Folge, dass sie sich ja dann recht wenig sehen können, wurde recht pragmatisch beantwortet. Als Basketballer kann man maximal spielen, bis man bis 35 Jahre alt ist – und danach kann ja einer der beiden zum anderen ziehen. Und bis dahin reicht es ja auch, wenn sie sich alle 8 Wochen mal besuchen – schließlich haben sie eine hohe Lebenserwartung und somit noch 40 gemeinsame Jahre vor sich.

Ein romantischer Europäer bekommt hier sicher einen Bauchkrampf – obwohl, wenn man in Deutschland in einer beliebigen Eckkneipe mal fragen würde, ob die Herren gerne noch mehr Zeit mit ihrer Frau verbringen würden – wahrscheinlich wäre die Antwort: NEIN!

Liebe Grüße Leo.