Wer als Ausländer in Beijing etwas auf sich hält, der geht in die Hutongs. Wenigstens zum Bummeln in die Nanluoguxiang, oder man weicht in die Nebenstrassen am Houhai aus, wenn dort zu viele Menschen rumlaufen. Wer will, der kauft sich in einem der Läden ein T-Shirt mit den chinesischen Schriftzeichen “Hutong bewahren”. Doch wer will eigentlich die Hutongs bewahren – und warum überhaupt? 

 Die Hutongs haben unter Ausländern einen guten Ruf. Sie stellen das alte Beijing dar – vermitteln ein besonderes Flair. Ich frage mich manchmal, wie sich die Anwohner dort fühlen. Denn nüchtern betrachtet ist das Leben in den Hutongs weder romantisch noch abenteuerlich, sondern einfach beschwerlich. Im Sommer heiß, im Winter kalt sowie keine richtigen Abwasserleitungen, so dass man sich die Toilette mit Nachbarn oder Touristen teilt. Besonders unangenehm finde ich, dass es keine Trennung zwischen den Bodenlöchern gibt – wer also seinen Bedürfnissen nachgeht, hat dabei noch oft Gesellschaft. Einen noch recht sauberen Eindruck macht dabei das Bild im Anhang.

Natürlich gibt es auch die renovierten Hutongs. Da gibt es Heizungen, Klimaanlage, Duschen, Warmwasser, Toiletten, Internet…alles, was der Mensch von heute so braucht. Da wohnen dann nicht mehr mehrere Familien, sondern nur noch eine. Meist auch eine, welche das 20 fache Monatsgehalt eines Wanderarbeiters hat. Diese Wohnung kann sich dann kein normaler Chinese mehr leisten. Selbst wenn diese Hutongs bestehen bleiben – das von vielen erfahrene Flair wird es dort nicht mehr geben.

Und so bin ich zwiegespalten, was ich von den Hutongs halten soll. Ohne sie wäre Beijing nicht das, wie wir es kennen. Aber sie so lassen? Oder, wie ich neulich mal gehört habe, “todsanieren”? Vielleicht gibt es ja auch noch einen Mittelweg – Sanierung der Hutongs, Vermietung einiger zu hohen Preisen, dadurch Mitfinanzierung der anderen, um das Flair zu erhalten. Aber das könnte nur durch die Stadt geschehen – und die ist meines Erachtens eher nach dem neuen Buch von Dieter Bohlen unterwegs “planieren statt sanieren”.

Leo.

öffentliche Toilette