Freitagabend mit den Kollegen in einer Karaoke Bar im Nordosten Beijings. Das Bier floss reichlich, und die von der Firma gesponserten Weinflaschen wurden in kleine Gläser gegossen, um dann ‘Ganbei’, d.h. auf Ex, getrunken zu werden. In geregelter Reihenfolge singen alle Kollegen ihre Lieder herunter.

Ich bin überrascht. Zum einen von den eindeutig sehr guten Gesangskünsten fast aller Kollegen und Kolleginnen, aber auch von der Traurigkeit der Lieder. Natürlich verstehe ich nur wenig vom Inhalt, aber alleine schon die Stimmung zeigt, dass sich hier Leute vor Kummer die Seele vom Leib singen. Unterstützt wird das ganze durch die Videos, die zu jedem gesungen Lied auf dem Fernseher laufen. Schöne, einsame Frauen, die in großen Wohnungen sitzen und weinen, weil ihr Geliebter nicht da ist. Die Zügen hinterher rennen, am Hafen weinen, oder schluchzend sich im Park niederlassen. Dazu Männer, die vor ihrem Klavier zusammenbrechen, die ihre Wohnungseinrichtung zertrümmern, auf den Knien sitzend mit den Händen auf den Boden schlagen. Den ganzen Abend gibt es, mit Ausnahmen wenn wir Ausländer einen der wenigen englischen Lieder singen, keine Stimmungslieder. Zwar haben die traurigen Lieder keinen Einfluss auf die Laune der Kollegen, aber meine Neugier war geweckt. 2 oder 3 Kollegen, die noch ansprechbar waren, wurden von mir gefragt, warum die ganzen Lieder alle so traurig sind. Als Antwort erhielt ich, dass vor allem chinesische Frauen in der Liebe alles geben würden – und somit bei einer unvollkommenen Liebe der Schmerz umso größer sei. Ein weiterer meinte, dass die Chinesen ihr ganzen Leben ja nach Harmonie streben – aber eine Liebe ohne guten Ausgang ist das genaue Gegenteil davon, und deshalb so schlimm und singenswert. Ein dritter sah es etwas pragmatischer: “Wir mögen einfach das Gefühl der Traurigkeit”

Leo.