Heute gegen 10.30 klingelte mein Handy. Man habe das Rad gefunden. Erst dachte ich, es sei die Hausverwaltung. Da ich jedoch nicht genug verstand, gab ich mein Handy an eine Kollegin. Die teilte mir mit, dass es die Polizei gewesen sei, und das Rad samt Diebin gefunden wurde. Das warf gleich mal 4 Fragen auf:

 1. Wie findet man in einer Stadt wie Peking eine Fahrraddiebin?

2. Was muss ich jetzt tun?3. Wer hat die Polizei überhaupt eingeschaltet?

4. Woher zum Teufel habe die eigentlich meine Nummer? 

Frage 4.) bleibt leider unbeantwortet, ich habe aber auch dem Sicherheitspersonal nicht meine Nummer gegeben. Aber die haben sicher die Polizei verständigt (Lösung von Frage 3). Fragen 1 und 2 sind unten beantwortet. 

Zu 1.) Es handelt sich um die Haushälterin eines Anwohners aus dem 10ten Stock. Sie wurde vom Sicherheitspersonal auf dem Videoband erkannt. Woher sie von meinem Fahrrad wusste, ist unklar. Allerdings betonte sie, dass es sich um ein Missverständnis handelt. Angeblich hätte ihr die befreundete Fr. Ma gesagt, dass sie doch bitte ihr Rad, welches unabgeschlossen ist, doch bitte in Sicherheit bringen soll. Diese Aussage hatte aber schon 2 Haken.

 a.) Fr. Ma war nicht aufzutreiben und hatte auch keine Handynummer und

 b.) das in Sicherheit zu bringende Fahrrad wurde danach unabgeschlossenen an einer öffentlichen   Bushaltestelle  abgestellt. 

Zu 2.) der Ablauf war dann wie folgt:

a.) mit einer Kollegin, welche übersetzen musste, zur Polizei gehen und den Fall zu Protokoll geben. Fragen: weshalb habe ich bemerkt, dass das Rad weg war? Wo und zu welchem Preis habe ich es gekauft? Und kann ich das beweisen? Kenne ich die Haushälterin oder Frau Ma? Die Polizisten waren übrigens durchaus freundlich und locker drauf.

b.) danach wurde das Fahrrad von der Polizei zu einem anderen Büro gefahren, wo der Wert geschätzt werden sollte   

c.) da die Polizeistelle außerhalb war, fuhr uns die Polizei zum nächsten Taxistand 

d.) gegen 17 Uhr rief man uns an und sagte, dass wir noch mal kommen müssten, um das Rad abzuholen. Natürlich wieder beide zusammen. 

Danach wurde es richtig interessant. Wie wir erfuhren, dass  die Frau seit heute Morgen dort festgehalten wird. Angeblich droht ihr eine Haftstrafe von 3 bis 5 Tagen. Das hat mich schon ziemlich geschockt, wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich den Verlust gestern nicht gemeldet. Wenigstens will der Wohnungsbesitzer, bei dem sie immer für Ordnung sorgt, sie behalten (und wenn ich drauf bestanden hätte, hätte die Polizei ihn für ein klärendes Gespräch einbestellt, er war vorher schon mal da zur Aussage). Selbst meine chinesische Kollegin war vom Strafmaß überrascht.  

Die Wertschätzung meines Fahrrades ergab, dass es noch ca. 300 RMB wert sei (Gutachten auf 2 Seiten, d.h. seit dem Kauf hat es 2 RMB an Wert gewonnen). Zum abholen des Fahrrades musste ich dann noch mal Dokumente unterschreiben. Außerdem wurde ich gebeten, dass ich das Urteil unterschreibe – selbst wenn es noch nicht gefallen ist. Aber sonst müsste ich nach Urteilsverkündung mit der Übersetzerin nochmals kommen. Ob ich denn das Strafmaß beeinflussen könnte, ließ ich übersetzen, das Rad sei alt und nix mehr wert. Aber das mache auf das Urteil keinen Einfluss… 

Somit will ich den Diebstahl des 30 Euro Rades noch mal zusammen fassen:

– Kaufwert vor 9 Monaten: 300 RMB- aktuelles Schwarzmarktwert: maximal 150 RMB

– Zeit, die ich mit Suche und heutigen Verweilen und Taxifahrten verbracht habe: 3 Stunden

– Übersetzende Kollegin: 2 Stunden

– Polizei: mindestens 1 Wachtmeister, ca. 3 Stunden

– Taxikosten zur Polizei: ca. 60 RMB- Kilometer, die uns das Polizeiauto fuhr: ca. 10 km (da Polizist Kollegin nach Hause fuhr, während ich   mit dem Rad heimwärts düste)

– Einsatz des Sicherheitspersonals in unserer Anlage: 3 Mann, ca. je 1 Stunde

– Fahrt zum Gutachter und Kosten des Gutachtens: mind. 100 RMB

– Chance, dass die Haushälterin ihren Job verliert: 25% (zum Glück)

– Gefängnisaufenthalt von 3 bis 5 Tagen: 100% Wahrscheinlichkeit, so eine Scheiße

– Kosten, die der Staat China oder die Haushälterin zu tragen hat: sicher ein Vielfaches des Fahrradwertes 

Fazit des ganzen: Was für ein Irrsinn für ein Fahrrad. Lediglich die Polizei war ein positiver Aspekt, aber ich saß ja auch nicht auf der Anklagebank! Das ganze kann man übrigens nur positiv sehen mit der meines Erachtens sehr sarkastischen Aussage eines Beteiligten: Man hilft der Frau, dass sie nicht noch einmal ein Fahrrad klaut.  

LEO