December 2008


Es ist immer eine interessante Sache, nach einer Weile wieder nach Hause zu kommen. Vieles, was früher normal war, fällt einem dann auf. Ich habe das Gefühl, dass ich auf vieles nun gelassener reagiere. Vielleicht, weil China die Erwartungen herunterschraubt? Oder weil man merkt, dass vieles doch unwichtiger ist, als man früher mal dachte?

Außerdem merke ich, dass mir Peking fehlt…und dass nach 5 Tagen Hamburg und Stuttgarter Umland. Kenne ich doch schon alles hier, denke ich immer. Peking ist halt doch ein Abenteuer. Wenn man doch nur auch dort die guten Freunde aus Deutschland mitnehmen könnte. Sie sind es, die den Unterschied  machen, und das zentrale Element, welches mir in China fehlt. Und doch wird mir immer klarer, dass meine Zukunft sicher nicht in Peking liegt…aber die nächsten 40 Jahre in Deutschland arbeiten und leben? Nein, das Fernweh hat mich gepackt.

Leo.

Zur Weihnachtsfeier unserer deutschen Zentrale bin ich heimgereist. Mit dabei auch 4 chinesische Kollegen, welche in Deutschland eine Fortbildung besuchen sollen. Außerdem bietet die Weihnachtsfeier eine gute Möglichkeit für sie, die deutschen Kollegen mit ähnlichen Aufgaben zu treffen.

Gegen Mitte der Veranstaltung macht mich eine chinesische Kollegin darauf aufmerksam, daß sich viele deutsche Kollegen nach Gesprächen immer mit „see you later“ verabschieden. Sie fragt mich, ob die Deutschen damit signalisieren, dass Ihnen das Gespräch keinen Spaß macht… denn keiner ist danach noch mal zu ihr gekommen…

Leo.

Im Chinesischunterricht haben wir uns letztens über Märchen und Geschichten unterhalten. Dabei war auch eine über Perfektionismus. Und die geht so. 7 Freunde sitzen zusammen. Einer bringt eine Flasche Alkohol mit. Um sie zu teilen, ist es leider viel zu wenig. So beschließen sie, um die Wette zu malen. Wer als erstes eine schöne Schlange fertig gezeichnet hat, soll die Flasche bekommen. Und so zeichnen sie eifrig los. Einer von Ihnen ist nach kurzer Zeit fertig und hat eine tolle Schlange gemalt. Er schaut sich um…die anderen zeichnen alle noch. Da ihm das zeichnen Spaß macht, fängt er an, die Schlange zu verzieren, sie noch schöner zu machen. Auch malt er ihr ein paar kleine Beine. Als alle fertig sind, wird er nur ausgelacht. Das sei doch keine Schlange, sagen alle. Ein anderer gewinnt die Flasche Wein, obwohl er nicht der beste Zeichner ist. Im übertragenen Sinne: Etwas, das gut ist, wird durch noch mehr Arbeit nicht besser. Dafür gibt es einen chinesischen Satz: „hua she tian zu“ (paint snake add foot), der immer dann angebracht wird, wenn jemand zu perfekt sein will.

Leo.

Hallo alle zusammen, Leo und ich sind momentan in Deutschland auf Weihnachtsbesuch.

Wir wünschen Euch allen ein besinnliches und frohes Weihnachtsfest sowie einen guten Rutsch ins Neue Jahr 2009, auf dass alle Eure Wünsche in Erfüllung gehen.

Liebe Grüße Holly und Leo.

In Bussen und Bahnen sind Sitzplätze eine echte Mangelware. Bei den Haltestellen gibt es täglich einen Kampf darum. Allerdings, sobald ältere Leute zusteigen, ändert sich das ganze. Innerhalb von wenigen Sekunden findet sich ein jüngerer, der aufsteht, und seinen Platz anbietet.

 
Leo.

Meines Wissens steht ein langer Fingernagel in China dafür, dass der Träger selber nicht körperlich arbeiten muss. Bauern, Bauarbeiter, Handwerker, Fabrikarbeiter, die können keine langen Fingernägel haben. Sie würden abbrechen bei der täglichen Arbeit. Wer sich also einen solchen langen Nagel wachsen lässt, meist am kleinen Finger, ca. 2 cm lang, zeigt, dass er etwas Besseres ist. Verbreitet ist dies vorrangig bei Männern. Allerdings habe ich das bei Menschen mit für Chinesen „richtig“ guten Arbeiten, insbesondere im Büro, wie Buchhalter, Ingenieur, Hotelmanager, Verkäufer, Einkäufer auch noch nicht gesehen. Deren Auftreten ist meist schon sehr westlich. Und so sieht man den langen Fingernagel oft in den Berufen, die genau dazwischen stecken. Keine körperliche Höchstleistung, kein Minimallohn, aber auch kein Spitzenverdienst und keine Top Position. Somit grenzt der lange Nagel sowie nach unten, aber auch nach oben eindeutig ab. Der lange Nagel wird deshalb vorrangig von Taxifahrern, Hausmeistern, Sicherheitspersonal sowie Zwielichtigen Verkäufern von kopierten Uhren getragen.

 
Leo.

Suzhou, letzten Freitag, 18 Uhr. Es pfeift ein kalter Wind durch die Straßen. An der Ren Min Lu, vor dem Armani Geschäft, hockt auf Knien eine Bettlerin. Sie verbeugt sich nach vorne, hat die Augen geschlossen. Auf ihrem Schoss ein kleines Kind. Ihr Bettelgeld sammelt sie in einer aufgeschnittenen Getränkedose. Die Dose glänzt golden, rote Buchstaben schimmern darauf. Es ist eine Getränkedose von Red Bull. Zynisch fällt mir deren Werbespruch ein. „Red Bull verleiht Flügel“

Leo.

Als Europäer sind wir in China ja leicht zu erkennen. Wer dann noch wie wir eine kleine Tasche und Foto in der Hand hat, ist dauernd das Ziel von Verkäufern, schwarzen Taxen, Bettlern sowie sonstigen Dienstleistern. Eine Gruppe davon sind die Schuhputzer.

Auch wenn meine Sportschuhe nicht sonderlich dreckig waren, und außerdem nicht aus Leder bestehen, am U Bahn Ausgang der „Ren Min Lu“ sprangen 2 Schuhputzer auf mich zu. Ich hatte keine Lust und ging schneller, allerdings die beiden auch. Einer spritze mir im Laufen Schuhcreme auf den Schuh. Holly sah dies und dachte, mein Schuh sei dreckig. Sie rief es mir zu, daraufhin verlangsamte ich meinen Lauf und sah auf meinen Schuh…zu spät. Da waren sie schon da und wienerten an den Schuhen rum. Zwar nur auf der Schuhspitze und nur für 1 Minute, aber dafür wollten sie 20 RMB. Auch wenn das nicht viel Geld ist, ich war sehr sauer, weil das in Deutschland schon unter Nötigung gefallen wäre. Wir einigten uns auf 10 RMB, was immer noch viel zu viel ist, und in Zukunft werde ich noch schneller laufen.

Übrigens fuhren wir am nächsten Tag im kleinen Städtchen Zhujiazhou Boot in einem kleinen Kanal. Am Kanalrand rief uns eine Schuhputzerin zu, dass sie aufsteigen wollte, um uns die Schuhe zu putzen. Nur eindeutige Signale an unseren Kapitän, das Land nicht anzusteuern, konnten ein erneutes Schuhputzen verhindern.

Ich kann die Leute ja verstehen, wenn jeder versucht, etwas Geld zu verdienen. Aber das ich mir nicht jeden Tag mit dem falschen Putzmittel meine Schuhe wienern lassen will, sollte denen auch einleuchten.

Leo.

Sind wohl die Sachen, die es in Shanghai nicht gibt, aber jeder Tourist haben will. Beim abendlichen Spaziergang durch die Einkaufsstraße Nanjing Lu wurde ich 20-mal gefragt, ob ich nicht Rolex Uhren oder Luxustaschen erwerben will. Das mag so weit noch einleuchten, allerdings wurde ich auch regelmäßig gefragt, ob ich Interesse an Haschisch habe. Klar, ich habe nix besseres zu tun, als mir in China schön einen Joint reinzuziehen. Allein die Vorstellung, mich beim eventuellen Erwischen mit der lokalen Polizei auseinandersetzen zu müssen, reicht mir aus. Allerdings werde ich meinen Kleidungsstil noch mal überdenken müssen, denn es kann kein Zufall sein, dass die nur mich angesprochen haben. Oder ob die jeden Touristen Drogen verkaufen?

Zu den gefälschten Markenklamotten, Uhren und Taschen bleibt zu sagen: Anscheinend ist es wirklich so, dass anders wie z.B. in Beijing diese Dinge nicht offen verkauft werden. Da in Shanghai wohl doch mehr ausländische Unternehmen sind, ist der Druck dort wohl etwas größer. Ein paar Freunde, die gerne ein paar Kopien gekauft hätten, mussten sich erst mal etwas rumfragen, bevor sie in große Lagerhallen außerhalb der Stadt gefahren wurden. Dort gibt es dann aber auch wieder Luis Vuiton Taschen, Rolex und Omega Uhren sowie Kopien der schrecklichen Ed Hardy Shirts (in Deutschland angeblich 100 bis 160 Euro, hier 30 bis 50 Yuan).

Leo.

Unternehmer sein in China, eine eigene Firma zu haben, dass scheint hier für die meisten das Ziel zu sein. Beim Abendessen mit Yunkung stellt er uns u.a. seinen Freund Wang vor. Dieser ist erst knappe 30, arbeitet 12 bis 14 Stunden täglich und hat 20 Mitarbeiter. Bewunderung, nicht Neid, kommt aus den Mündern der anderen, wenn es um seine Firma geht. Und jeder hat eine eigene Idee, einen Businessplan oder ein paar Kontakte, mit denen in ein paar Monaten oder 1 bis 2 Jahren der Sprung in die Selbstständigkeit gewagt werden soll. Der Himmel über Shanghai ist für die junge Elite noch voller Chancen… Risiken sehen sie nicht. Ich finde es toll und hoffe, mir Teile dieses Elans und Optimismus abzuschneiden.

Leo.

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