February 2009


Er hat da eine kennengelernt, eine Bekannte der Frau seines Kollegen. Sieht ganz nett aus, und wohl auch ohne Freund. Sie waren mit anderen Kollegen und ihr essen. Aber an dem Abend war er viel zu schüchtern, mit ihr zu reden, obwohl zwischen ihr und ihm nur ein anderer Kollege saß. Und anstatt dann in den kommenden Tagen den Kollegen etwas über sie ausfragen, ggf. nach ihrer Nummer fragen oder rauszufinden, wo man sie „zufällig“ mal treffen kann – nein, nix davon, dann hätte der Kollege ja mitbekommen, dass er das Mädchen gut findet.Lu Liu ging dann lieber ins Internet, auf eine chinesische Facebook-Variante, und hat sich durch die Profile aller Freunde geklickt – bis er das Mädel bei einem als Kontakt gefunden hat und sie angeschrieben hat. Vielleicht ist Lu Liu ja auch schüchtern, allerdings habe ich schon öfters von diesem sehr indirekten Vorgehen gehört.

Leo. 

Freundschaften schließen mit Chinesen ist nicht leicht. Ich muss ehrlich sagen, dass dies eine der Dinge ist, die mir hier fehlen. Tiefgreifende Gespräche. Das liegt aber meines Erachtens daran, dass das Leben so unterschiedlich ist. Vor allem die Erwartungen, die die Familie an den einzeln hat, erzeugt Probleme, die wir Westler nur sehr schwer nachvollziehen können. Und auch die Lösungen, die wir dann wählen würden, passen so gar nicht in den chinesischen Weg.

 Und doch bin ich manchmal überrascht, was mir chinesische Bekannte so alles von ihren Sorgen erzählen. Allerdings kommt es dann nicht zur Analyse der Probleme, sie wollen es einfach nur erzählen – aber nicht darüber reden, Antworten meinerseits sind nicht zwingend erwünscht. Ich habe mir überlegt, dass sie in ihrem Bekanntenkreis nicht so darüber reden können, denn insbesondere Männer zeigen ja kaum Gefühle.

Die Probleme, die mein chinsischer Bekannter mir neulicch erzählt hat, sind vom Prinzip her erst mal so, wie man sie im Westen auch kennt: Frauen, berufliche Karriere, eigenständies Leben. Ich will in den kommenden Tagen darüber etwas berichten.

Leo.

…die Vogelgrippe ist wieder da. Nachdem die deutsche Botschaft am 19. Dezember über einen ersten Fall berichtet hatte (Tod der Betroffenen am 5. Januar), gab es heute eine weitere Email. Dieses Mal gibt es 3 weitere Fälle, einer ist bereits verstorben, 2 weitere sind in kritischer Verfassung. Alle hatten direkten Kontakt zu Hühnern, und stammen selber nicht aus Beijing. Allerdings haben sie wohl die Seuche mitgebracht.

Angeblich gibt es in Peking selber keine Hühnerfarm, so dass von einer Ausbreitung erst einmal nicht geredet wird. Allerdings bin ich mir darüber nicht so sicher, denn wie ich in früheren Blogs geschrieben hatte, begegne ich öfters Herrn Ji-Dan, welcher viele Hühnereier aus einem Wohngebiet bringt. Wenn es da keine Hühnerzucht gibt, dann fresse ich einen Besen.

Auch wenn von allen Seiten bisher beruhigt wird, so bin ich doch mal gespannt, wie es weitergeht. Ich habe gehört, dass während des letzten Ausbruchs das soziale Leben in Peking sich sehr, sehr eingeschränkt hat.

Leo.

Vom Dienstag auf den Mittwoch ist etwas Schnee gefallen. Als ich dann am Donnerstag aufwachte, dachte ich, die weisse Pracht ist weg…aber nein, über Nacht war noch mehr dazu gekommen. Ca. 5 cm. Schnee, für Pekinger Verhältnisse viel, lagen schon in der Landschaft verteilt.

Ich entschloss mich, heute den Weg zur Arbeit zu Fuss zu erledigen. Da ein Grossteil des Weges durch den Chaoyang Park fürt, gleicht es fast einem Sonntagsspaziergang. Auf dem Weg zum Chaoyang Park und auch im Park selber waren schon viele Arbeiter mit Schnee schippen beschäftigt. Aber anders als bei uns fuhr kein Schneepflug, nein, mit Schaufel und Besen wurden die Wege geräumt. Damit das bis zum späten Vormittag geschafft ist, wird einfach eine grosse Menge von Arbeitern eingesetzt.Ansonsten war es ruhiger als sonst im Park. Die Sport treibenden Rentnergruppen ware nicht da, lediglich ein paar harte Kämpfer mühten sich schon an den öffentlichen Fitnessgeräten ab. Und sogar Tischtennis wurde gespielt, allerdings war von den 12 sonst immer bestzten Platten nur eine freigeräumt.

Beeindruckt hat mich wie immer der Rentner, der wie jedes Mal, wenn ich da gegen Morgen vorbei komme, seinen Drachen steigen lässt. Wahrscheinlich könnte auch die verbotene Stadt im Erdboden versinken und gleichzeitig der Dalai Lama die kommunistische Partei übernehmen, der Renter würde erst einmal Drachen steigen lassen. Die Ruhe muss man weg haben…Dank des Schnees fühlte sich auch die Luft heute irgendwie gereinigter an also sonst.

In der Mitte des Parks war vom Lärm der Stadt kaum noch etwas zu hören, lediglich ein leichtes Rauschen erinnerte an den nicht ganz so weit entferten 3ten Ring. Sogar die wenigen vorhandenen Vögel konnte man zwitschern hören. Das war allerdings vorbei, als ich am Nordausgang ankam.

Auf den Strassen hatte sich der Schnee zu einem schwarzen Matsch verändert. Die Chinesen änderten allerdings ihre Fahrweise nicht, nun rutschen sie noch öfters als sonst. Der Verkehr lahmte noch mehr, es wurde gehupt, gedrängelt, einige wollen so fahren wie immer, während andere aus Vorsicht wie Schnecken krochen. Mich würde interessieren, wie viele Auffahrunfälle es heute gab. Die Zahl ist sicher doppelt soch hoch wie sonst. Auch die Fahrradfahrer rutschen, da immer nur partiell gestreut war, je nach dem, wie weit das Strassenräumungskommando schon vorangekommen war. Auch im Büro war der zähe Verkehrsfluss zu bemerken, die Kollegen kamen alle 15 bis 30 Minuten verspätet. Vor allem einige Kolleginnen hatten Probleme, da sie trotz des Wetters weiterhin die Hackenschuhe hatten anziehen müssen, und 2 auf dem Weg zur Arbeit ausgerutscht waren. Wenigstens hatte sich niemand ernsthaft verletzt. Ja, wer schön sein will, der muss auch in China leiden.

Leo.

Ich weiss ja nicht, wie oft ich schon über die beliebten Handwerker geschrieben habe. Heute gab es aber einen neuen Höhepunkt.

Ich bin heute nicht zum Mittag aus dem Haus gegangen, sondern im Büro geblieben. Als ich  mir dann einen Kaffee holen wollte, für das ich unser Großraumbüro verlassen mußte, gab es einen Knall. Ich erschrak und schaute nach oben…die Tür, die nach außen aufschwingt, war an der Decke angeschrammt. Ich stutzte…das  war doch vorher nicht passiert…und was hing da an der Decke? Es sah aus wie eine Art Licht oder Feuermelder, auf jeden Fall war es da vorher noch nicht gewesen. Keine Ahnung, wer es da anmontiert hatte. Aber wer es auch war, er hat sich keine, ja keinerlei Gedanken gemacht, dass die Tür daran streift bzw. wir sogar Probleme bekommen könnten, da rein und rauszugehen. Da es sich zu dem um eine Decke handelt, die aus losen Platten besteht, rieselt nun bei jedem Öffnen der Türe etwas Putz von der Decke…inkl. Erschrecken von 10 anderen Kollegen durch das Rumpeln.Der Mensch, der so etwas gemacht hat, bekommt von uns schon mal den beliebten Titel “Mitarbeiter des Monats”.

Aber nun ging es los, den Schuldigen zu suchen. So schnell wie möglich mußte das Ding, von dem wir ja nicht mal wussten, was es war, wieder weg. Aber Licht und Feuermelder waren in der Zeit schon ausgeschlossen worden – was konnte es noch sein? Auch handelte es sich nicht, wie von einem Kollegen behauptet, um eine Videokamera mit 360 Grad Objectiv.

Wir riefen nun das Hausmanagement an. Die sagten aber, sie hätten nichts beauftragt. Nach einigem hin und her landeten wir in der Wachabteilung. Diese sagten uns, dass heute Mitarbeiter von China Mobile im Haus gewesen sind, und kleine Boxen aufgestellt hätten, welche die Mobilfunkverbindung innerhalb des Hauses verbessern sollte. Man hätte ihnen erlaubt, selber festzulegen, wo die Dinger installiert werden. So ein Ding hing nun also vor unserem Büro. Und schrammte schön an unserer eh schon sehr schwer zu bedienenden Türe (siehe vorherige Blogs). Wie versuchten das Hausmanagement zu überzeugen, die Dinger zu entfernen…Fehlanzeige, schliesslich hätten sie die da ja nicht installiert. Nach kurzer Diskussion, ob wir China Mobile anrufen, dass die das Ding entfernen, machten wir es nach dem Motto: “selbst ist der Mann” und schraubten bzw. rissen das Kabel samt Sender heraus. Über schlechtere Mobilfunkverbindung hat sich noch niemand beklagt, aber wir können die Türe wieder normal öffnen.

Leo.

Nun, knapp eine Woche nach dem Brand, gibt es verschiedene Gerüchte. Da ich in letzter Zeit wenig Zeitung gelesen habe, auch nicht das Propagandablatt China Daily, gebe ich dies ausdrücklich als Gerüchte weiter:

– Gerücht 1: Die Feuermelder war nicht angeschaltet. Dies lag angeblich daran, dass dies bei noch nicht fertigen Gebäuden immer so ist. Aber angeblich müssen dann immer menschliche Brandmelder in jedem Stock sein. Diese Besetzung gab es aber nicht.

– Gerücht 2: Das Feuer wurde von einem nicht genehmigten Feuerwerk am CCTV Tower daneben ausgelöst.

– Gerücht 3: Das verwendete Feuerwerk war aus Restbeständen der Olympiaeröffnung und hätte niemals im Innenstadtbereich abgeschossen werden dürfen.

– Gerücht 4: Das abgebrannte Hochhaus war schon lange in der Kritik. Zum einen war unklar, wie die Auslastung überhaupt sein sollte. Denn Hotels und Büroräume gibt es in Peking mehr als genug. Zum zweiten war beim Bau, ähnlich der Hamburger Elbphilharmonie, mit immer neueren Kosten und Notwendigkeiten der ursprüngliche Anfangspreis mehr als verdreifacht worden. Eine Refinanzierung durch Mieteinnahmen war kritisch.

– Gerücht 5: Da sind einige gar nicht so unglücklich, dass das Gebäude nicht mehr steht…

Leo.

Nachdem nun das chinesische Neujahrsfest vorbei ist, sind auch die letzten Kollegen wieder in Peking eingetroffen. Freudig berichten sie von der Zusammenkunft mit der Familie und unter der Hand auch mal, dass eine Woche daheim ganz schön anstrengend ist. Und sich jeden Mittag und Abend den Bauch voll schlagen, davon haben Sie nun erst mal genug.

Aber mich interessiert etwas anderes: Fassen die Chinesen über den Jahreswechsel auch Entschlüsse wie die Deutschen? Nehmen sie sich auch vor, weniger zu rauchen, mehr Sport zu treiben, vielleicht sogar sich neu zu bewerben oder wie manche Deutsche sogar hoffen, ihr ganzes Leben zu ändern? Ich frage ein wenig herum. Den Kollegen ist dieses Vorgehen sehr fremd.

„Wozu brauche ich da den Urlaub? Etwas ändern kann man immer“, meint eine Kollegen. „Obwohl“, merkt ein anderen an,“die Chinesen machen lieber langsame Schritte als schnelle. Radikale Wechsel sind eher nicht so ihr Ding.“

Wenn ich mich selber so umsehe, dann glaube ich auch, dass die chinesischen Kollegen sich eher mit Gegebenheiten anfreunden. Richtige Klagen hört man eher selten. Aber vielleicht liegt das auch daran, dass ich so wenig in ihrer Sprache verstehen.

Eine Sache gibt es allerdings, die Chinesen nach Chinese New Year durchführen. Und zwar bewerben sie sich wie wild bei anderen Firmen. Hintergrund ist, dass man zu dieser Zeit den Bonus der alten Firma schon erhalten hat, und bei frühem Einstieg in die neue Firma sich auch den Bonus des aktuellen Jahres sichern kann „Aber dieses Jahr bewerben sich nicht viele“, sagt eine Kollegin. Haben alle Sorgen wegen der Krise.

Leo.

Folgendes ist ein Auszug aus dem Newsletter einer international agierenden Bank. Es scheint so, als brennt insbesondere auf dem Land die Luft. „A million police officers have been sent to rural areas across China since December to help maintain social stability. Jobless rural workers will get more than 30 billion yuan ($4.39 billion) in aid from the Guangdong Province, government officials said.”

Leo.

Während alle Chinesen ihr Laternenfest feiern, und zum Abschluss des Chinese New Year noch mal ordentlich ballern dürfen, wollte mein Kumpel bei Ikea ein paar Schränke kaufen. “Da ist dann nicht so viel los, die feiern ja alle”. Aber er sollte recht behalten. Während 1,3 Mrd. Chinesen Feuerwerkskörper in die Luft befördern oder wenigstens dabei zusehen, schleppen wir Schränke der Marke “Bilar” oder wie die sonst so heißen in den 17 Stock. Als Dank gibt es Bier, Wodka O und einen Blick auf die Stadt. Schon gegen 22 Uhr erblicken wir ein Licht in der Nähe des 3ten Rings. Es sieht so aus, als ob ein Feuerwerk vom Dach abgeschossen wird. Aber der Nebel der Raketen erlaubt kein klares Bild.

Als ich gegen 23.30 mich ins Taxi setze, ruft mein Kumpel an. “Leo, da brennt ein Hotel am dritten Ring, vielleicht haben wir das vorhin gesehen”. Ich spreche sofort den Taxifahrer an, er kennt den Sachverhalt und dreht das Radio lauter. Auch wenn ich wenig verstehe, eine gehetzte Reporterstimme schreit ins Mikrofon. “Da kommen wir doch vorbei”, meine ich zum Fahrer, während ich meinen Weg erkläre. “Qu bu liao”, sagt er, “kann da nicht hinfahren”. Und gleich sehen wir auch, warum. Großflächig hat die Polizei den 3ten Ring abgesperrt. Obwohl das Feuer von hier ca. 1 Kilometer entfernt sein muss, und wir nichts sehen, wird das Gebiet abgeriegelt. Mein Kumpel meldet sich noch mal am Telefon. “Leo, da brennt ein riesiges Haus, so was habe ich noch nicht gesehen, hoffentlich war das Haus so leer, wie es im Internet beschrieben wird”. Mir kribbelt es, der Taxifahrer murmelt etwas vom größten Feuer in der Pekinger Geschichte. Wir fahren weiter heim, währenddessen nimmt das Feuerwerk kein Ende. Es scheint so, als hätten die anderen Pekinger nichts mitbekommen, oder es ist ihnen egal: es wird einfach weiter geballert.  

All das kommt mir vor wie eine Parabel auf dieses Land. Ein Schnellzug, einmal losgefahren, der sich nicht von ein paar Bäumen auf den Schienen bremsen lässt. Und so scheint es auch nun, während irgendwo ein riesiges Gebäude brennt, rennt dieses Land weiter vorwärts, symbolisiert durch die Raketen an den Straßenrändern.

Daheim schalte ich den Fernseher an, es ist nun 0.30 Uhr. CCTV und BJ TV bringen nix. Auch CNN keine Infos. Ich surfe im Internet und finde folgende Fotos auf verschiedenen Webseiten, u.a http://www.nytimes.com/2009/02/10/world/asia/10beijing.html?partner=rss&emc=rss

Weitere Fotos siehe Anhang. Ich glaube, das bedarf keiner weiteren Worte. Hoffentlich war das Hotel, wie in den Artikel beschrieben, wirklich noch unbewohnt. 

Leo

Hotelbrand; Hotelbrand 2; Hotelbrand 3

 

Eine Geschichte bewegt meine Kollegen.

Irgendwo im Süden, den Ort habe ich vergessen, wurde ein Kind geboren. Die Geschichte ist deshalb so aufreibend und wurde von den Medien heiß verfolgt, da die Frau Krebs hat. Eine Bestrahlung und Heilung sei wohl möglich, aber wohl mit unkalkulierbaren Risiken für das Kind. Sie entscheidet sich gegen die Bestrahlung, für das Leben ihres Kindes, und für den eigenen Tod. Ein paar Tage nach der Geburt verstirbt sie. Meine Kolleginnen sind sich sicher: „so muß Mutterliebe aussehen, das Kind steht über allem“.

 Leo.

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