March 2009


Beim Mittagstisch kam ein interessantes Gerücht auf. Ein Kollege meinte, der Mao im Maosoleum sei gar nicht der Echte. Mao wollte wohl immer verbrannt werden, deshalb wäre es eine Schande, ihn so auszustellen. Und vor allem, ein echter Chinese muss nach seinem Tod zurueck in seine Heimatregion, alles andere ist gegen die Tradition. Beweise hat keiner, aber ein anderer Kollege meinte, das stimme, denn weshalb sonst darf man keine Fotos machen, und die Wachen schicken einen so schnell durch die Besichtigung, dass man keine Details erhaschen kann.

Leo.

Auch wenn es aktuell wieder etwas kalt geworden ist, generell ist der Trend nach oben gehend: der Frühling kommt. Auch die Sonne wagt sich immer stärker heraus. Das führt wohl auch bei Fotografen wieder zu guten Geschäften. Wer in den Parks der Stadt am Wochenende unterwegs ist, sieht sehr oft ein Fototeam: Fotograf, 1 oder 2 Assistenten, ein Spiegelträger zur besseren Belichtung, ein Mädel mit einer Schminktasche und natürlich das Ziel der Aufnahmen: Ein Hochzeitspaar.

Es scheint gang und gäbe zu sein, dass sich die Paare im Park ablichten lassen. Am See, unter Bäumen, auf einer Bank, neben blühenden Blumen. Den Hauptstress hat meines Erachtens das Mädel zu tragen. Obwohl noch recht kalt an der frischen Luft, muss sie verschiedene Kleider anhaben, die alle wenig wärmen. Zur Umkleide spannen die Assistenten dann immer ein grosses Tuch um sie herum, und kurz danach springt sie umgezogen heraus. Mal weiss, mal rot, mal traditionelle Kleider. Der Mann ist entweder in schwarz oder weiss gekleidet und zieht sich nicht um. Er wirkt oft sehr gelangweilt. Generell habe ich das Gefühl, dass dieser Fototag für beide Arbeit, aber kein Vergnügen ist. Wenn es von einem Ort zum nächsten geht, muss die arme Braut in hohen Schuhen hinterherstöckeln, während die Assistenten ihr Kleid über dem Boden halten, damit sie nicht den Kehrmaschinen die Arbeit wegnimmt.

Wenn man sich chinesische Hochzeitsbilder einmal ansieht, dann sind die Frauen darin meist nicht wieder zu erkennen. Sehr geschminkt, hochgesteckte oder verlängerte Haare, Schleifen im Haar, Ketten, Ohrringe…da wird sogar aus einer grauen Maus eine Prinzessin. Die Männer schauen meist etwas mürrisch, und keiner der Kollegen, die bisher geheiratet haben, konnte mir ein Bild zeigen, auf dem beide glücklich strahlen.

Leo.

Nun bin ich schon fast 1.5 Jahre in Peking. Hat mich am Anfang der Verkehr noch erschreckt, so finde ich ihn heute ganz normal. Mehr noch, wenn man aus der Provinz oder aus anderen asiatischen Ländern zurück kehrt, so findet man den Pekinger Verkehr sogar sehr zivilisiert. Aber wer in Suchmaschinen einmal die Schlagwörter “China” und “Verkehrstote” eingibt, der sieht, dass dieses Thema wohl das größte Risiko hier ist. Somit gefährlicher als die schlimme Luft (obwohl sich meiner Erfahrung vor allem Raucher negativ über die Luft in China äußern, aber das ist ein anderes Thema), die vergifteten Lebensmittel oder vom chinesischen Staat verhaftet zu werden:

– 300 Verkehrstote am Tag, 106.000 im gesamten Jahr (http://www.spiegel.de/reise/staedte/0,1518,188782,00.html)

– Chinesen können nicht Auto fahren (http://www.welt.de/motor/article739573/Chinesen_koennen_nicht_Auto_fahren.html)

Aber selber gewöhnt man sich auch daran und macht sich weniger Gedanken. Ich kann das an meinem eigenen Verhalten sehen. Früher wartete ich bei Kreuzungen, bis kein Auto mehr kam. Nun fahre ich, meist im Pulk mit anderen Radfahren, in die Kreuzung rein oder suche mir den Weg kreuz und quer durch die Autos. Auch das es in den Taxis keine  Anschnallgurte hat, ärgert mich nicht mehr. Auf dem Vordersitz gäbe es welche, aber da ist der Sitz nicht so bequem. Weiterhin hat mein Fahrrad kein Licht (siehe auch Blog mit dem Lichtdiebstahl), so wie alle anderen Fahrräder hier auch. Und alle Mopeds und Roller, die eigentlich Licht haben, nutzen es eh nicht. Aber auch am Verhalten anderer sieht man, wie schnell und fahrlässig die Angst gewichen ist. Mein Kumpel, seit einem halben Jahr im Besitz eines Autos und Führerscheins, ist schon schlimmer als die meisten anderen Verkehrsteilnehmer. Schimpfend, drängeld, hupend, Fussgänger erschreckend und ja keinen Zentimeter dem anderen Auto Platz geben ist sein Motto. Wer nicht drängelt, verliert. Vor einem Jahr hat er sich noch übrigens über den Verkehr aufgeregt. Nun meint er, dass sei alles halb so wild und gar nicht gefährlich. Aber selbst zum Zähneputzen nimmt er lieber Wasser aus Flaschen als aus der Leitung, da ja das Wasser so verschmutzt sein soll, und das Risiko will er nicht eingehen.
Hoffen wir, dass es nicht mal richtig kracht.

Leo.

In der Sanlitun Barstrasse, und in den dahinter liegenden Gebäuden ist am Wochenende immer viel los. Gerade im Sommer und im Frühling ist die Strasse immer sehr voll mit Menschen, die dort einfach rumsitzen, Bier trinken, eine Kleinigkeit essen oder von einer Kneipe in die nächste ziehen. Allerdings verleitet der teilweise recht billige Alkohol, z.B. Wodka Red Bull für 10 RMB oder andere Mixgetränke, zu ekzessiven Trinken. Das gilt sowohl für Westler, die hier vermehrt anzutreffen sind, wie auch für junge Chinesen. Leider hat auch hier der Alkohol die gleiche Wirkung wie anderswo: Viele werden freundlicher und gelöster, einige aber auch aggressiver. Teilweise habe ich das Gefühl, dass es für einige, insbesondere Chinesen, oft das Ventil ist, den ganzen aufgestauten Frust herauszulassen. Und oft hat sich da so einiges angesammelt. Auch wenn man nie die Gründe dafür erfährt, das Resultat ist meist verheerend. So auch am Samstag.

Gerade hatten wir ein neues Bierchen geköpft, als vor unseren Augen eine Truppe Westler schnell die Kneipe verließ. 10 Sekunden später kamen Chinesen hinterher. Es knallte, wie in einem Wildwestfilm flogen die ersten Flaschen hinter den Westlern her, welche jedoch an der Glastüre zerschellten und diese in 1000 Stücke brach. Wild rannten die Chinesen los, hinter ihnen kreischend ihre Freundinnen, die sie verzweifelt versuchten aufzuhalten. Auf der Strasse kam es dann noch zu einzelnen Keilereien, welche jedoch glimpflich abliefen. Wir versuchten, dass Getummel schnell zu verlassen, um nicht auch noch Ziel zu werden.

Von den Türstehern, aber auch von den dort angestellten Wachleuten und den Zivilpolizisten (sitzen immer ganz toll versteckt mit Knopf im Ohr in abgestellten Autos) sah sich keiner genötigt, beschwichtigend einzuschreiten oder sich zwischen die Streithammel zu stellen. Die kommen wahrscheinlich erst, um die Reste einzusammeln. Aus einem ähnlichen Grund ist angeblich auch der Club “China Doll” beim Kaufhaus “San dian San” (3.3) geschlossen. Dort kam es wohl auch zu Scharmützeln zwischen Westlern und den Türstehern, wobei die Westler den Kürzeren zogen und am nächsten Tag in einer angeschlossenen Grünfläche aufwachten. Dies wurde zur Anzeige gebracht, und seit dem ist der Club dicht.

Ein Freund, der schon seit einigen Jahren hier lebt, berichtet von einer zunehmenden Gewaltbereitschaft in Kneipen in dieser Gegend. Wer beim Ausgehen seine Ruhe will, meidet diese Ecke lieber, und zahlt anderswo einfach mehr für seine Getränke. Auch am Chaoyang Park Westeingang, oder am südlichen Ende der Sanlitun Straße auf Höhe der Kneipe “Bookworm” gibt es nette Kneipen, die etwas ruhiger sind. Oder man geht im Frühjahr und Sommer an den Houhai See, und geniest das Wetter draussen.

Leo.

Hatte ich doch noch erst vor ein paar Tagen von meinen neuen Fitnessstudio berichtet (da war ich allerdings schon 3 Wochen Mitglied, Blog wurde verspätet gepostet), so hat mich gestern doch der Schreck gepackt. Ich wollte trainieren und wunderte mich schon über den Staub im Eingang und den Lärm. Als ich in den Eingansbereich kam, war das Studio dunkel, alle Schränke abgebaut, und eine einsame Dame sass an der Theke. Nein, trainieren könne ich nicht, meinte sie, das Studio sei zu! “Zu, geschlossen?” fragte ich erschrocken. Nein, meinte sie, man würde es anderswo wieder aufmachen. Ich atmete erleichtert auf, und wollte wissen, wo der neue Standort sei. Sie nannte mir eine Adresse, die ich nicht kannte. Ich wollte wissen, ob das in der Nähe sei. “Nicht so ganz”, meinte sie. Ich holte meinen Stadtplan heraus, sie suchte ein wenig herum und zeigte dann auf einen Standort oberhalb des Olympiageländes, in der Nähe des 5ten Ringes. Das ist ungefähr so weit weg, wie wenn man von Hamburg Jungfernstieg nach Hamburg Harburg umzieht.

Ich fasse es nicht, dieser Standortwechsel raubt denen doch sicher 98% der Kunden. Wer will schon so lange fahren? Ich verlangte mein Geld zurück, schliesslich hatte ich erst vor 3 Wochen den Vertrag abgeschlossen, und da hatte mir keiner was vom Umzug gesagt. Ausserdem, selbst wenn es Aushänge gegeben hätte, warum hat mich nicht einer mal angesprochen? Das ich keine Schriftzeichen lesen konnte war denen bekannt, schliesslich hatten wir extra einen englischen Zusatz zum Vertrag aufgesetzt.

Naja, prinzipiell wollte man mir das Geld zuruückgeben, aber leider kann es nur die Zentrale auszahlen, welche wiederum im Westen von Beijing ist. Und meine Sportklamotten, welche ich in einem angemieteten Fach hatte, waren mitsamt der Fächer auch abtransportiert worden. Aktueller Standort unbekannt.

Leicht resigniert, mit einer Telefonnummer in der Hand, verließ ich das Studio. Aber so ist das wohl hier. Und anscheinend habe ich mich schon mit China abgefunden. Denn eine der wichtigsten Regeln lautet: Wenn es so ist, dann ist es halt so – und Antworten gibt es nicht immer. Deshalb habe ich mich sogleich auf die Suche nach einem neuen Studio gemacht. Und morgen rufe ich die Zentrale an und kämpfe um mein Geld.

Im nachhinein ist mir noch etwas eingefallen. Bereits einen Tag davor bin ich am Studio vorbeigefahren und habe Sportgeräte auf der Strasse gesehen. Aber ich dachte, mein Studio bekommt neue Geräte – dass es der Auszug war, wusste ich nicht. Sonst hätte ich vielleicht meine Sachen noch abholen können. Aber hinterher ist man immer klüger.

Leo.

„Frauen mußt du in China was bieten“, meint Lu Liu, „die wollen einen Mann, der erfolgreich ist, eine eigene Wohnung hat und ein Auto.“ Ja, ein Wohnung sei wichtig, aber toll sei auch ein, Auto, das hilft“, sagt er. „Aber Liu, in Peking braucht man doch kein Auto, man kann doch mit Bus und Bahn oder auch Taxi überall hinkommen“, argumentiere ich. „Du musst das Auto ja auch nicht fahren, du musst es nur haben, das ist wichtig“.

Naja, denke ich, so anders ist es ja in Deutschland ja auch nicht mit den Autos.

Leo.

Das Mädel hat zurück geschrieben, und von da an haben sie sich regelmässig Emails, Nachrichten über Skype oder angeblich 1500 SMS in 30 Tagen gesendet. Auf die Idee, mal mit ihr auszugehen, kam er nicht. Allerdings war die Beziehung für ihn schon so weit fortgeschritten, dass er sie mir gegenüber als seine Freundin bezeichnete. Als ich ihn ein paar Tage später zum Essen traf, hatte sie sich schon wieder von ihm getrennt. Natütlich per SMS. Lu Liu war sehr geknickt und meinte, dass liegt daran, dass er nicht sehr gut verdient und auch kein Auto hat.

Leo.

Nachdem mein bisheriges Studion ja nicht bereit war, mir einen Halbjahresvertrag anzubieten, habe ich mich auf die Suche nach einem neuen Studio gemacht. Dabei half mir der Umstand, dass ich in der Nähe des Westeingangs des Chaoyang Parks schon einmal mit Kollegen Billiard spielen war. Der Billiardsaal hat mir so imponiert, da dieser total vollgequalmt war. Direkt daneben ging es in das Fitnessstudio, und da sich beide Lokalitäten einen Vorsaal teilen, wehte einiger Zigarrettengestank in das Fitnessstudio herüber. Sonst hätte ich von außen gar nicht gewußt, dass es dort ein Studio gab.

Dort eingetroffen, war ich erst mal positiv überrascht. Die Trainer waren sehr nett, aber mit Englisch kam man nicht weit. Allerdings durfte ich gleich ein Probetraining machen. Das Studio ist spartanisch, aber zweckmäßig und mit neuen Geräten ausgerüstet. Es gibt einen Raum zum gemeinsammen Radfahren (spinning), einen Tischtennisraum sowie ein verglasten Raum für Yoga und Tanzen. Wie in Deutschland gibt es eine kleine Ecke, in der die harten Jungs an Hanteln schwitzen. Allerdings ist mir kein Muskelpaket aufgefallen. Dafür gibt es einen kleinen Bereich, in dem ein Boxsack hängt. Dort trainierte ein Chinese, den ich später Karate Kid taufte, mit sogenannten Chakos (2 Holzstangen, verbunden durch eine Kette) verschiedene Schlagtechniken. Danach machte er sich am Boxsack zu schaffen. Daher auch der Namen Karate Kid. Während er anfangs nur mit Ellenbogen und Knie auf den armen Sack einschlug, nahm er später ca. 5 Meter Anlauf und sprang mit Gebrüll und gestrecktem Knie gegen den Sack. Nicht einmal, nicht fünfmal, nein, mindestens 10 Minuten am Stück. Das war ein Lärm. Allerdings sei das der Ausnahmefall, meinte der Trainer.

Das Studio hat mir sehr gut gefallen, und als mir der Trainer noch den Preis für 6 Monate nannte, habe ich sofort unterschrieben: 644 RMB für 6 Monate, so viel kostete bei meinem alten Studio der Monatsbeitrag. Und falls ich nicht dauernd meine Sportsachen mitschleppen will, so kann ich mir auch noch ein Schrankfach zur Aufbewahrung mieten: 68 RMB für 3 Monate.

Leo.

Aus dem Leben von Lu Liu gibt es in den kommenden Tage etwas, nun mal ein Blick auf die Freizeitgestaltung als Westler in Beijing.

Peking ist ja bekanntermaßen eine große Stadt. Um da den Überblick zu behalten, welche Ausstellung man besichtigen kann, wann und wo welche Bands spielen, welches Restaurant neu eröffnet hat oder welche Party man nicht verpassen sollte – dafür gibt es 5 bis 7 englischsprachige, kostenlose Magazine. Diese sich speziell an Ausländer gerichtete Hefte erscheinen im 2 Wochen- oder Monatsrhythmus und versuchen, möglichst viele Leute zu den Veranstaltungen zu locken. Obwohl eigentlich ein Heft reichen würde, und die Themen und Termine meist deckungsgleich sind, versuche ich dennoch, immer alle Ausgabe zu durchblättern. Hier mein Kurztest:

– That’s Beijing, ca. 110 Seiten, mit teilweise längeren Berichten über Gesellschaft oder das Leben in Peking. Mode, Einkaufen und Essen kommen auch nicht zu kurz, allerdings liegt darauf nicht das Hauptaugenmerk. Der Veranstaltungskalender ist gering, dafür gibt es einen langen Adressbereich für Restaurante

– The Beijinger, ca. 130 Seiten, mit einem längeren Kunstbereich sowie einem ebenfalls sehr langen Restaurantverzeichnis. Gut gefällt mir immer die Seite, auf denen Leute auf der Straße fotografiert werden und zu ihrem Kleidungsstil Fragen beantworten. Die fotografierten Chinesen sind alle ganz schön hip, frage mich, ob man das in Europa auch trägt

– Agenda, ca. 70 Seiten, kommt im praktischen A5 Format und in kleinerer Schrift. Teilt sich in die Bereiche Restaurant, Nachtleben, Shopping, Gesundheit sowie einen Veranstaltungskalender. Hat wenig Extrathemen oder längere Artikel. Enthält 2 Seiten Sprachtraining, wobei sich der Inhalt und Vokabeln nicht ändern. Erscheint alle 2 Wochen.

City Weekend, ca. 80 Seiten, die Bild unter den Veranstaltungsmagazinen. Mehr Bilder und größere Buchstabe, die Artikel nicht länger als 3 Minuten Lesezeit. Erscheint alle 2 Wochen.

BTM Beijing, 60 Seiten, Berichten und Interviews, weniger Werbung und kaum Werbeanzeigen, sehr wenige Veranstaltungstipps

Time out Beijing, mein Liebling, 80 Seiten, teilweise interessante, etwas zu kurze Berichte, kompakte Veranstaltungsübersicht und Infos, die kein anderes Magazin bringt

Urbune, 80 Seiten, keine Veranstaltungstipps, dafür aber ein Magazin für ganz China und mit den interessantesten Artikeln. Ausführlich wird u.a. die Auswirkung der schlechten Luft ubd persönliche Gegenmaßnahmen besprochen, oder es wird über den Verkehr in 2020 diskutiert. Kurzweilig und interessant.

Fast allen Magazinen ist gemein, dass viele überteuerte Mietangebote sowie teure Reisen angeboten werden. Also nicht immer beim erstbesten Angebot zuschlagen.

Leo.